Olaf Scholz
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Scholz stellt Vertrauensfrage Kanzler auf Abruf und Wahlkämpfer

Stand: 11.12.2024 16:24 Uhr

Kanzler Scholz hat den Antrag auf die Vertrauensfrage gestellt, nächste Woche steht er damit vor dem Parlament. Jetzt ist er vor allem im Wahlkampfmodus - in ganz unterschiedlichen Rollen.

Eine Analyse von Nicole Kohnert, ARD-Hauptstadtstudio

Olaf Scholz soll es in verschiedenen Versionen geben: mal wild, mit verwuschelten vielen Haaren, wie damals, als er Juso war. Mal bürgernah, mit Bratwurst in der Hand oder auch als Kapitän mit Augenklappe. Ein Bild, das das Kanzleramt selbst postete, als Olaf Scholz nach einem Sportunfall am Auge verletzt war.

Mit diesen verschiedenen Seiten von Olaf Scholz stimmt die SPD ihre Genossen für den Wahlkampf ein. "Welcher Olaf bist du im Wahlkampf?", stellt die Partei die Frage in einen Post in den sozialen Netzwerken und zeigt dabei verschiedene Fotos von Scholz - von kämpferisch bis eben wild.

Christoph Mestmacher, ARD Berlin, zur kommenden Vertrauensfrage im Bundestag

tagesschau24, 11.12.2024 23:00 Uhr

Wer er gerade ist, diese Frage stellt sich Scholz womöglich auch manchmal, so viel wie er gerade unterwegs ist - einerseits als "Kanzler auf Abruf" andererseits als Kanzlerkandidat der SPD. Was kann Scholz noch versprechen?

Fokus auf Wirtschaft

Auf Scholz' Zeitplan stehen viele Termine mit der Wirtschaft. Die Unternehmen klagen über zu hohe Energiepreise, stecken teilweise in der Krise. Als Scholz am Dienstagmorgen bei Ford in Köln vor der Belegschaft stand, fragte sich so mancher Mitarbeiter, welches Versprechen der "Kanzler auf Abruf" denn noch halten kann. Jede vierte Stelle ist gefährdet, manche Bereiche komplett gestrichen, die vor Ort produzierten E-Autos verkaufen sich schlecht.

Scholz erklärte, wie er auf europäischer Ebene für eine E-Auto-Prämie werben und für niedrigere Energiepreise für Konzerne sorgen will. "Die Angst in der Belegschaft bleibt", erklärte ein Ford-Mitarbeiter danach. Viele wüssten auch, wie träge Politik ist.

Was kann er noch versprechen?

Schnelle Entscheidungen sind also nicht zu erwarten. Bekommt Scholz noch Mehrheiten für seine Pläne? Auch einen Tag zuvor machte sich beim so genannten Stahl-Gipfel im Kanzleramt Ernüchterung bei den Konzernen breit. Der Kanzler hatte die großen Stahlkonzerne zu sich eingeladen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ließ der Kanzler wieder außen vor und lud ihn nicht ein, wie auch andere nicht. Scholz versprach auch den Konzernen, dass er für niedrige Energiepreise sorgen wolle.

"Es braucht dafür eine parlamentarische Mehrheit und das ist das, wo jetzt die meiste Arbeit reingehen muss", erklärte Gunnar Groebler von der Wirtschaftsvereinigung Stahl nach dem Gespräch. Es gehe also darum, dass Scholz noch Mehrheiten im Bundestag bekommt, um seine Versprechen und Pläne umzusetzen. Für die Stahlindustrie sei das enorm wichtig. Das sich generell etwas noch etwas bewegt, ist nicht unwahrscheinlich.

"Das Leben geht ja immer weiter"

"In einer Demokratie sind es die Wählerinnen und Wähler, die den Kurs der künftigen Politik bestimmen", sagte Scholz in einem Statement heute, nachdem er beim Bundestag den Antrag gestellt hatte, über die Vertrauensfrage abstimmen zu lassen. Wenn er sie am Montag verliert, wovon auszugehen ist, will er dem Bundespräsidenten noch am Nachmittag vorschlagen, den Bundestag aufzulösen.

Bis zur Bildung einer neuen Koalition nach der vorgezogenen Neuwahl blieben Regierung und Bundestag voll arbeitsfähig, betonte der Kanzler. "Das Leben geht ja immer weiter."

Scholz hat schon deutlich gemacht, was für ihn noch verabschiedet werden sollte, obwohl der Bundestag sich auflösen wird. So erwähnte er die Erhöhung des Kindergeldes, das Deutschlandticket oder auch die Energiepreise, die gesenkt werden sollten.

Hoffen auf Aufholjagd

Nach der Vertrauensfrage am Montag will sich die Union nochmal über alle Gesetze beugen, denen sie vor der Neuwahl noch zustimmen möchte. Allerdings nur, wenn sie in ihr Konzept passen und sie damit bei den Wählerinnen und Wählern punkten können.

Momentan liegt die Union in den Umfragen weit vor der SPD. Scholz hofft wohl auf einen ähnlichen Effekt wie 2021, als die Sozialdemokraten nach einer beispiellosen Aufholjagd doch am Wahltag vorn lagen.

Immerhin ein paar Punkte gewann die SPD im jüngsten DeutschlandTrend dazu. Die große Hypothek ist diesmal jedoch die geringe Popularität der von ihm drei Jahre lang geführten Ampel-Regierung - und auch von Scholz selbst.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 11. Dezember 2024 um 15:00 Uhr.