Nordrhein-Westfalen Diabetes Typ 1: Mit welchen Vorurteilen eine Betroffene zu tun hat
Mehr als 90 Prozent der Diabetiker in Deutschland sind an Typ 2 erkrankt. Vergessen wird oft Typ 1. Eine Betroffene erzählt.
In Deutschland leben mehr als neun Millionen Menschen mit Diabetes. Am heutigen Weltdiabetes-Tag wird ihnen eine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Die meisten Betroffenen haben Typ 2. Heißt: Ihre Bauchspeicheldrüse produziert zwar Insulin, aber das reicht entweder nicht aus oder kann nicht richtig wirken. Ursachen sind unter anderem zu wenig Bewegung, Übergewicht, genetische Faktoren oder eine falsche Ernährung.
Vergessen werden häufig die Typ 1-Diabetiker, sie machen nur etwa fünf Prozent der Diabetiker aus. In Deutschland sind das etwa 32.000 Kinder und Jugendliche sowie 340.000 Erwachsene.
Bei ihnen stellt die Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr her, weil das eigene Immunsystem die entsprechenden Zellen angegriffen hat. Warum das passiert, ist noch nicht ausreichend erforscht.
Eine "Typ 1erin" ist WDR-Volontärin Laura Weigele. Sie hat vor 22 Jahren als Kind die Diagnose bekommen und erzählt, welche Vorurteile und Mythen sie überhaupt nicht mehr hören kann. Denn auch mit Diabetes Typ 1 kann man ein normales Leben führen.
Mythos 1: "Du darfst bestimmt keine Süßigkeiten mehr essen."
WDR-Volontärin Laura Weigele
"Darfst du das überhaupt essen?“ Den Satz höre ich sehr oft: Ob im Restaurant oder auf der Arbeit – immer, wenn ich mir mal etwas Süßes gönne. Wenn ich für jedes Mal diesen Satz hören einen Euro bekommen würde, könnte ich jetzt schon in Rente gehen.
Und ich bin noch nicht mal 30 Jahre alt. Aber um eine Antwort zu geben: Ja, ich darf! Ich hab sogar ein ganzes Schubladenfach voller Traubenzucker, Schokolade und Saft für Notfälle – falls der Blutzucker nämlich mal zu niedrig ist.
Mythos 2: "Du hast Diabetes, weil du als Kind zu viele Süßigkeiten gegessen hast“
Mein Diabetes hat nichts damit zu tun. Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung. Mein eigenes Immunsystem hat die Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produzieren, angegriffen – warum das passiert, ist noch nicht vollständig bekannt.
Die Zellen werden dadurch mit der Zeit so stark geschädigt, dass sie nur noch sehr wenig oder gar kein Insulin mehr bilden. Das braucht der Körper aber, damit der Zucker aus der Nahrung in die Körperzellen der unterschiedlichen Organe aufgenommen werden kann.
Der Zucker ist eine lebenswichtige Energie für die Körperzellen. Da mir das Insulin fehlt, muss ich mir das Insulin spritzen oder eine Pumpe tragen, weil es keine Heilung gibt.
Bei Diabetes Typ 2 ist es nicht selten mit einem Lifestyle-Wechsel oder Tabletten getan, außer es artet komplett aus. "1er" wie ich müssen ein Leben lang mehrmals täglich Insulin spritzen oder eine Pumpe tragen, weil es keine Heilung gibt.
Mythos 3: "Dein Katheter ist ein Fashion-Accessoire oder Nikotin-Pflaster"
Dann wäre da noch die Sache mit den Spritzen und dem Blutzuckermessen. Bis vor ein paar Jahren musste ich mehrmals am Tag meinen Blutzucker händisch messen und Insulin spritzen. Da kamen dann Kommentare wie: "Tut das nicht weh? Ich könnte das ja nicht…"
Keine Sorge, ich hab's quasi mehrere tausend Mal geübt. Nach so vielen Stichen könnte ich nebenbei noch eine Tattoo-Karriere starten. Ich mache das nicht aus Spaß, sondern tatsächlich, um einfach zu überleben!
Laura Weigele trägt den Katheter ihrer Insulinpumpe am Arm.
Seit einiger Zeit habe ich einen Blutzuckersensor und eine Insulinpumpe, die ich immer am Körper tragen muss. Vorteil: Die machen einem das Leben leichter. Ich wechsle Sensor und den Katheter der Pumpe alle paar Tage und muss mich nicht mehr spritzen oder in den Finger piksen. Der Nachteil: Katheter und Sensor sind für viele Leute offenbar total mysteriös!
Entweder werde ich gefragt: "Was ist denn das für ein schickes Fashion-Accessoire?" Oder jemand flüstert mir mit besorgtem Blick ins Ohr: "Versuchst du gerade mit dem Rauchen aufzuhören? Ist das so ein Nikotinpflaster?"
Nein, natürlich nicht. Ich trage die Pumpe, weil ich davon abhängig bin. Aber nicht von Nikotin, sondern von Insulin. Ein kleiner, aber feiner Unterschied.
Quellen: