Katrin Keip stottert seit dem sie fünf Jahre alt ist.

Rheinland-Pfalz Katrin aus Andernach: "Ich bin mehr als mein Stottern"

Stand: 22.10.2024 04:00 Uhr

Mehr als 830.000 Menschen in Deutschland stottern laut Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe. Eine davon ist Katrin Keip aus Andernach. Wie geht sie damit um?
 

Sprechen kann für Katrin Keip in bestimmten Situationen anstrengend sein, oft muss sie sich überwinden. Besonders wenn sie neue Freunde kennenlernt wird die Situation zur Herausforderung: "Es ist schon Angst und Scham mit dem Reden verbunden, es ist erst mal ein unwohles Gefühl. Ich mache mir dann Gedanken, wie viel stottere ich jetzt, wie wirke ich?"

Als sie fünf Jahre alt war, ist das Stottern aus dem Nichts aufgetreten. Jetzt ist sie 26 Jahre alt und hat immer noch damit zu kämpfen. Es sei frustrierend: "Eigentlich weiß ich genau, was ich sagen möchte. Aber wenn ich es dann ausspreche, bricht meine Stimme ab und ich habe dann ein Druckgefühl im Hals. Jeder Mensch, der stottert, wünscht sich, dass es morgen weg ist", erzählt Katrin Keip. Sie wünscht sich von ihren Mitmenschen, dass sie ihr mehr Zeit beim Sprechen lassen: "Ich mag es nicht, wenn man mir ins Wort fällt oder wenn man versucht, mir Wörter vorwegzunehmen oder zu erraten."

Was ist Stottern?

"Stottern ist eine Störung des Sprechablaufs, eine sogenannte Redeflussstörung. Wer stottert, verliert vorübergehend die Kontrolle über seine Sprechmotorik. Stottern äußert sich durch unfreiwillige Wiederholungen von Silben und Lauten, Dehnungen von Lauten und hörbaren oder so genannten 'stummen' Blockierungen. Wie häufig und deutlich diese Symptome auftreten, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Das Stottern kann auch je nach Situation stärker oder schwächer sowie seltener oder häufiger sein." Quelle: Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe

Die meisten Menschen stottern ohne genaue Ursache

Laut Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe tritt bei fünf Prozent aller Kinder bis sechs Jahre Stottern auf. Bei 70 bis 80 Prozent lege es sich dann wieder, der Rest behalte sein Stottern. Die meisten stotternden Menschen würden idiopathisch, also ohne genaue Ursache stottern, erklärt Norbert Bender, Vorsitzender der Vereinigung. "Man hat erforscht, dass bestimmte Regionen im Gehirn von Stotternden anders ausgeprägt sind, als die bei normal Sprechenden", meint er. Stottern sei vererbbar.

Aber es gebe auch das psychogene Stottern. Das könne durch ein Trauma ausgelöst werden oder durch einen Schlaganfall. Das passiere aber sehr selten und eher im Erwachsenenalter. Er teilt auf Anfrage von SWR Aktuell mit: "Man kann nicht genau sagen, warum das Stottern bei manchen Kindern weggeht und bei anderen nicht, obwohl sie in logopädischer Behandlung waren", meint er. Aber er macht Mut: "Stottern ist behandelbar und beeinflussbar."

Mehr Männer als Frauen stottern

Als Erwachsene würden viel mehr Männer stottern als Frauen - das Verhältnis sei 4:1. "Man weiß nicht, wieso. Bei den Kindern ist die Verteilung eher gleich", sagt der Experte.

Wer ist die "Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe"?

"Wir sind ein gemeinnütziger Verein von stotternden Menschen für stotternde Menschen und Angehörige", teilt Norbert Bender, Vorsitzender der "Bundesvereinigung Stottern und Selbsthilfe", mit. Der Verein sei 1979 gegründet worden. "Heute ist die 'BVSS' die zentrale Anlaufstelle für alle Menschen, die sich persönlich, beruflich oder gesellschaftlich mit dem Thema Stottern auseinandersetzen", meint er. Der Verein kläre über die Redeflussstörung auf, gebe Informationsmaterialien heraus und berate. 

Zum Glück keine Erfahrung mit Mobbing

Das Stottern wird Katrin Keip ihr Leben lang begleiten. Seit etwa 20 Jahren nimmt sie immer mal wieder Therapiestunden, aus denen sie jedes Mal etwas mitnehme. "Bei der Logopädie lerne ich Sprechtechniken, um mit dem Stottern besser umzugehen. Außerdem lernt man zu akzeptieren, dass Stottern ein Teil von seinem Leben ist." Von anderen Stotternden hat sie mitbekommen, dass diese teils unter Mobbingerfahrungen in der Schule gelitten hätte.

Sie selbst habe zum Glück keine Erfahrungen damit gemacht: "Meine Eltern haben in der Grundschule und in der weiterführenden Schule die Lehrer über mein Stottern informiert und ihnen Infomaterial gegeben."

Rückhalt von Familie und Freunden

Die Lehrer hätten das Thema dann offen in der Klasse angesprochen. Deswegen sei sie kaum gehänselt worden: "Ich erinnere mich, dass ich einmal Stotterliesel von einem Mitschüler genannt wurde." Heute könne sie darüber lachen, sie habe ihr Stottern weitestgehend akzeptiert. Sie weiß: "Ich bin mehr als mein Stottern. Trotzdem wird es immer ein Teil von mir bleiben."

Geholfen habe ihr, offen darüber zu sprechen. "Ich hatte zum Glück immer den Rückhalt von meiner Familie und Freunden. Hätte ich diese Unterstützung nicht gehabt, wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin", sagt sie. 

Telefonieren ist eine Herausforderung

Katrin Keip hat Abitur gemacht, anschließend studiert und arbeitet als Produktionsplanerin in einem Pharmazieunternehmen. Hier muss sie viel organisieren, Aufträge einplanen und abstimmen, wann welche Mengen produziert werden. Das Stottern habe sie direkt zu Beginn in der Abteilung angesprochen, um den Druck rauszunehmen.

Trotzdem ist telefonieren eine größere Herausforderung für sie: "Wenn ich weiß, dass ich jetzt mit jemandem telefonieren muss, mit dem ich noch nie telefoniert habe, geht mein Puls hoch. Ich bin dann aufgeregt, ich spüre es körperlich." Trotzdem versuche sie dann nicht, sich vor dem Anruf zu drücken, sondern selbstbewusst zu sein.

Worauf macht der "Welttag des Stotterns" aufmerksam?

Seit 1998 wird am 22. Oktober der "Welttag des Stotterns" begangen. Norbert Bender, Vorsitzender der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe, sagt, dass der Tag genutzt werde, um mit Aktionen und Veranstaltungen Aufmerksamkeit für die Schwierigkeiten zu schaffen, die Betroffene mit ihrer Redeflussstörung bewältigen müssen.