Zwei Männer stehen an einer Straßenbahnhaltestelle in Halle

Sachsen-Anhalt Enorme Hilfe: Neues Leitsystem für Sehbehinderte in Halle

Stand: 15.10.2024 19:10 Uhr

Oft genug ist die Welt des Sehens für blinde oder sehschwache Mitmenschen schlecht ausgestattet. Um ihnen das Leben und vor allem die Orientierung zu erleichtern, hat die Hallesche Verkehrs AG vor Kurzem ein neues System entwickelt, das bereits auf großes Interesse in anderen Kommunen stößt.

Von Frank Nowak, MDR SACHSEN-AHALT

Wenn der sehbehinderte Lars Lippek heutzutage in Halle unterwegs ist, dann nicht ohne seinen Begleiter. Die Rede ist allerdings nicht von einem Blindenstock, der ihn Hindernisse erkennen lässt, sondern viel mehr von einem kleinen weißen Transponder, den der 35-Jährige wie eine Kette um den Hals trägt. Dieser kleine Sender kommuniziert, einmal angestellt, mit anderen Geräten im öffentlichen Raum, die für Sehbehinderte gedacht sind und gibt seinem Träger dann Hinweise.

Transponder hilft Sehbehinderten in der Straßenbahn und an der Ampel

Lippek, der das System seit einiger Zeit testet, erklärt es so: "Dann sagt der die ganze Zeit eigentlich nichts Anderes als 'Hier bin ich!'. Die Geräte, die dieses Signal empfangen und verarbeiten können, wissen: Hier ist jemand, der hat Unterstützungsbedarf." Ein Beispiel: Fährt an Haltestellen eine Straßenbahn ein, erkennt sie den Transponder und sagt Lars Lippek per Lautsprecher Linie sowie Zielstation an. Informationen also, die andere nur abzulesen brauchen, die für Sehbehinderte aber kaum zu erkennen sind.

Auch die Suche nach einer Ampel entfällt für Blinde Dank des Transponders. Einmal in Reichweite, meldet sie sich per Lautsprecher von selbst und auch das herkömmliche Knopf-Drücken für Blinde wird überflüssig. Bei Grün ertönt ein Piep-Ton und Lars Lippek kann die Straße überqueren. Grün "anfordern" kann der Sender aber nicht, heißt es.

Ein Mann zeigt einen weißen Transponder

Der Transponder "spricht" mit Geräten in seiner Umgenung und gibt die Infos an den Träger weiter.

Zehn Jahre Entwicklung für Orientierungssystem

Entwickelt wurde das System von der Halleschen Verkehrs AG (Havag). Zehn Jahre Vorbereitung liegen hinter Chefentwickler Peter Kolbert und seinem Team. Lars Lippek als gelernter IT-Spezialist und Betroffener hat dabei geholfen. Nun ist das "Barrierefreie Informations- und Orientierungssystem", kurz "Bios", bereit für seinen Einsatz im Alltag. Es funktioniert sowohl mit einem Transponder, als auch mit einer Smartphone-App.

Und das Interesse daran ist riesengroß. Denn mittlerweile haben auch andere Verkehrsgesellschaften die Bereitschaft bekundet, ein vergleichbares System aufzubauen, berichtet Kolbert, nicht ohne Stolz.

"Das System erleichtert unser Leben"

Blinden und Sehbehinderten hilft das neue System enorm: "Das System erleichtert uns das Leben, weil wir selbstbestimmter unterwegs sind. Wir können, ohne um fremde Hilfe bitten zu müssen, die Straßenbahnen nutzen, finden Ampelanlagen und können uns ein ganzes Stück freier bewegen; auch in den Abendstunden, wenn im Normalfall weniger Menschen auf der Straße unterwegs sind oder die Ampelanlagen sogar abgeschaltet sind", freut sich Lars Lippek, der auch Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenverbands Sachsen-Anhalt ist.

Zwei Männer stehen an einer Straßenbahnhaltestelle in Halle

Chefentwickler Peter Kolbert (l.) und und Lars Lippek diskutieren über das neue Bios-System in Halle.

Barrierefreiheit in Halle: deutschlandweit spitze

Das Engagement der Havag in Sachen Barrierefreiheit kommt nicht nur bei Lippek, sondern bei vielen Fahrgästen gut an. Erst kürzlich belegte das hallesche Unternehmen bei einer deutschlandweiten Umfrage in dieser Kategorie einen Spitzenplatz. Mit dem neuen Bios-System wird in Halle nun ein weiterer großer Schritt auf dem langen Weg zu mehr Teilhabe und Nutzungsfreundlichkeit für sehbehinderte Menschen gemacht.

MDR (Frank Nowak, Oliver Leiste)