Sachsen-Anhalt Wo Luther einst in Magdeburg schlief – Zufallsfund an der Stadtmauer
In den evangelischen Kirchen wird heute der Reformationstag gefeiert. Der ist hierzulande mit dem Namen Martin Luther und der Stadt Wittenberg eng verbunden. Vor 500 Jahren spielte Luther allerdings vor allem in Magdeburg eine Rolle, denn im Sommer 1524 predigte Luther in der Stadt. Dank eines Zufallsfunds ist klar, wo er geschlafen hat. Allzuviel ist vom Gebäude aber nicht stehen geblieben.
Einen Lutherturm findet man im Magdeburger Stadtplan nicht und sucht man im Internet nach diesem Lutherturm, dann erscheint das Stichwort "Klosterneubau Magdeburg". Geht man allerdings an der historischen Stadtmauer spazieren, dann trifft man unterhalb der Wallonerkirche auf ein Hinweisschild mit der Aufschrift "Lutherturm". Es steht vor einem eher unscheinbaren Mauervorsprung.
Veranlasst hat den Hinweis Pater Clemens Dölken. Pater Clemens hat sehr viel mit dem Neubau des Prämonstranserklosters zu tun, das direkt an den "Lutherturm" angrenzt. Der Begriff "Lutherturm" sei historisch nicht belegt ist, räumt Pater Clemens ein. "Der Lutherturm ist in gewisser Hinsicht eine moderne Erfindung mit langer Geschichte, denn Martin Luther war tatsächlich hier. Und an dem Ort, den man heute als Lutherturm teilweise bezeichnet, hat er sich auch aufgehalten."
Luthers Bett an der Stadtmauer
Im Sommer 1524, also vor 500 Jahren, war Martin Luther auf Einladung des damaligen Bürgermeisters in Magdeburg, um über die Reformation zu predigen. Das war offenbar so überzeugend, dass die Stadt wenig später selbst die Reformation einführte.
Damals übernachtete Luther im Augustinerkloster, an dessen Stelle nunmehr der Neubau des Prämonstratenserklosters steht. Der Turm ist allerdings eher ein hohler Zahn, denn im zweiten Weltkrieg erlitt er einen Volltreffer. Ein altes Foto brachte Pater Clemens auf die Spur. "Bis 1945 konnte man, vom Dom herkommend, dort an der Wand die Inschrift lesen: Lutherstube." Zudem belegen alte Fotos, dass ein Gang das alte Kloster mit dem Turm verband.
Pater Clemens Dölken
Bei den Bauarbeiten zum neuen Kloster traten zahlreiche weitere Mauerreste zu Tage. So wurde unter anderem eine Kammer gefunden, aus romanischer Zeit, also über eintausend Jahre alt.
Die Reste des Turms sind noch nicht zugänglich
Der Turm habe in seiner Geschichte einiges auszuhalten gehabt, so Pater Clemens: "Wir haben fünf Mauerverstärkungen zur Elbe hin. So alle 70 Jahre kam der nächste Krieg, die nächste Zerstörung und dann die nächste Verstärkung, eine Mauer der Zerstörungsgeschichte gewissermaßen."
Zugänglich sind die Reste des Turms bislang jedoch nicht, denn die Bauarbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Ein erstes Ziel ist, den Lutherturm in die Stadtführungen einzugliedern. Allerdings stellt sich die Frage, wie die Reste des Turms dauerhaft genutzt werden könnten.
Die Überlegungen dazu seien noch am Anfang, räumt Pater Clemens ein: "Wir hoffen, dass irgendwann einmal eine Idee entsteht, die auch mit einer Finanzierung zusammenhängt. Es gab ja mal die Idee, dass man die Reihe der Türme an der Stadtmauer wieder verlängert. Das muss nicht historisch originalgetreu sein. Aber diese Idee finde ich nach wie vor bezaubernd."
Lutherturm als Zeichen der Versöhnung?
Der Turm und auch der Klosterneubau sind Teil des Projekts "Ökumenische Höfe Magdeburg". Dazu gehören auch die Wallonerkirche, die Universitätskirche St. Petri und die Magdalenenkapelle. Evangelische, katholische und reformierte Gemeinde sind nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Was nunmehr friedlich zusammenarbeitet, war jahrhundertelang verfeindet.
Das verdeutlichten auch die mächtigen Mauern rund um den Lutherturm, so Pater Clemens: "Diese Mauern der Zerstörungsgeschichte zeigen ja, wie dringend ein anderes Thema nötig ist, nämlich Versöhnung. Und das wäre wichtig, angesichts von Ukraine-Krieg und europäischer Einigung oder Nichteinigung, dass man das Thema Versöhnung hier platziert. Auch als einen Beitrag der Christenheit für die moderne Gesellschaft."
Ein Grund dafür findet sich ebenfalls in der Geschichte. Denn nach 500 Jahren Reformation begeht die Stadt Magdeburg in einigen Jahren ein weiteres Jubiläum: 2031 jährt sich zum 400. Mal die Zerstörung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg. Es war das größte Massaker der damaligen Zeit und rief europaweit Entsetzen hervor. Bis zum Jubiläum könnte der Lutherturm als Zeichen der Versöhnung ein Teil des Erinnerns sein.
MDR (Uli Wittstock)