Theater | "Ex" an der Schaubühne - Bitterkomisch, unterhaltsam - und stark überkonstruiert

Eine neue Wohnzimmerschlacht von Marius von Mayenburg: In "Ex" geht die Frau zur Abwechslung dem Mann an die Gurgel. Ein konstruierter, aber hochtouriger Abend über die Frage, wie der soziale Status die Partnerwahl beeinflusst. Von Barbara Behrendt
Daniel kommt müde von der Arbeit nach Hause. "Hast du etwas gekocht", fragt er seine Frau Sibylle, die auf der Couch gerade Bildungsfernsehen anschaut - erschöpft vom Tag mit den beiden Kindern. Sibylle antwortet: "Ich habe keinen Hunger."
Es ist völlig offensichtlich, wie beide versuchen, Mann-Frau-Klischees zu vermeiden: Er frage ja nur, er mache das schon selbst, es hätte ja sein können. Und sie: Bloß kein Entgegenkommen, die Reste der Kinder sind noch da, stehen auf dem Balkon.
Wie das Ehepaar extrem passiv-aggressiv aneinander vorbeiredet, muss die Haare jeder Paartherapeutin zu Berge stehen lassen. Sibylle kann gar nicht anders als zu meckern und Daniel aus jedem Satz einen Strick zu drehen. Daniel weicht aus, druckst herum, entschuldigt sich, wird tausendfach zurechtgewiesen: "Dir tut was leid? Etwas tut dir ein Leid an, wer tut dir denn das Leid an, ich etwa?"

Der Zickenkrieg beginnt
Kein Wunder, dass Daniel bei dieser Furie von Ehefrau nicht sofort damit herausrückt, wer das eben am Telefon war: Franziska, seine Ex-Freundin, seine große Liebe, die er für Sibylle damals verlassen hat. Franziska steht auf der Straße, sie hat gerade ihren Freund verlassen und braucht einen Schlafplatz. Daniel wimmelt sie ab. Und dann steht sie plötzlich doch vor der Tür - und die Wohnzimmerschlacht, der Zickenkrieg, die Lebensabrechnung kann beginnen.
Der Theaterautor Marius von Mayenburg ist bekannt für seine schrillen Komödien, die er dann in eigener Regie gern noch schriller inszeniert. In den letzten Jahren hat sich Mayenburg aber etwas vom grellen Komödienfach entfernt und sich dem psychologischen Kammerspiel in minimaler Besetzung zugewandt. Und so ist es auch in seinem neuen Stück "Ex", das er jetzt in eigener Regie an der Berliner Schaubühne zum ersten Mal auf Deutsch zeigt.
Es ist eines von drei neuen Stücken von Mayenburg, die inhaltlich und formal große Ähnlichkeiten haben. Alles Kammerspiele, die bei Paaren zuhause spielen, im privatesten Raum. Alle kehren sie klassische Rollenzuschreibungen ein Stück weit um. In "Ellen Babić" (zu sehen am Berliner Ensemble) ist es eine Frau, die ihre Macht sexuell missbraucht. In "Egal" ist es eine Frau, die auf Geschäftsreise geht, während der Mann zuhause bleibt.
In "Ex" ist es nun Sibylle, die ihren Mann schließlich verprügelt. Und das kommentiert sie mit: "Bist du zufrieden? Dass du es geschafft hast? Dass du mich so weit gebracht hast?" Ein Moment, in dem es still wird im Publikum.

Klassenunterschiede bei der Partnerwahl
Im Zentrum steht allerdings die Frage, wie sehr Klassen- und Bildungsunterschiede über unsere Partnerwahl entscheiden. Denn Daniel ist Architekt, Sibylle ist Ärztin. Franziska dagegen arbeitet in der Zoohandlung - schon immer. Und weil Sibylle sieht, wie stark die sexuelle Anziehung zwischen Daniel und Franziska noch immer ist, knallt sie Franziska schließlich brutal vor die Füße, warum Daniel sie damals verlassen hat: Weil sie ihm zu peinlich gewesen sei.
"Die meisten Menschen halten Hunde für die besseren Menschen, haben keine akademische Bildung und hängen vermutlich fasziniert an deinen Lippen, während du ihnen einen Hamster oder eine Schlange in den Karton mit Luftlöchern packst, und bewundern dich vielleicht sogar für deine kitschigen Ansichten über das, was du Kosmos nennst", sagt Sibylle. Und weiter: "Aber zu diesen Menschen gehört Daniel nicht, und wird auch nie zu ihnen gehören, genauso wenig, wie du jemals in der Lage sein wirst, mit Professor Rissmann beispielsweise, eine Konversation zu führen, bei der sich der arme Mann nicht fragt, wer um Himmels willen dich mit auf die Party geschleppt hat."
Als Regisseur hält sich Marius von Mayenburg hier ausnahmsweise zurück. Es gibt keine grellen Regieeinfälle. Nur eine schicke braune Ledercouch steht im Halbrund auf der Bühne, davor ein kleiner Spielzeugdinosaurier, der schon zu Beginn das Sofa symbolträchtig attackiert. Es ist die minimalistische Wohnung von Gutverdienern. Ein bisschen leise Musik, ein paar Großaufnahmen der Gesichter, ansonsten konzentriert sich Mayenburg ganz auf sein Ensemble.
Große Freude am Exzess
Marie Burchard (als Furie Sibylle), Eva Meckbach und Sebastian Schwarz spielen mit großer Freude am Exzess: hochtourig, pointiert, aber auch mal erschütternd, wenn Sebastian Schwarz als geprügelter Hund auf der Couch in sich zusammenfällt.
Doch die psychologische Feinzeichnung kann nicht ganz gelingen, da die Figuren selbst so überzeichnet sind. Ihre starke Überkonstruktion nimmt dem Stück seine Kraft. Die Ex, die plötzlich auf der Couch sitzt, als sei Daniel der einzige Mensch auf der Welt. Die schreckliche Ehefrau, die dem Mann an die Gurgel geht. Der verdruckste Ehemann, der sich plötzlich in einem aufwallenden Monolog so präzise selbst reflektiert, dass man sich fragt, warum er nach wie vor in dieser schauerhaften Beziehung verharrt.
Braucht es gruselige Frauenfiguren?
Auch die künstlich verkehrte Beziehungskonstruktion wirft Fragen auf: Ja, es gibt Frauen, die Männer prügeln - allerdings ist es zu 80 Prozent eben umgekehrt. Braucht es diese gruselige Frauenfigur auf der Bühne gerade wirklich? Braucht es den Zickenkrieg, der hier so hemmungslos abgefeiert wird?
Zwar führt der Abend bitterkomisch, unterhaltsam und pointiert vor, in welche Fallen man gerät, wenn man sein Leben nach den gesellschaftlichen Erwartungen ausrichtet. Das ist weit verbreitet, schließlich sind die Ehen zwischen Menschen aus ganz unterschiedlichen sozialen und intellektuellen Schichten selten.
Doch so einseitig furchtbar wie diese Figuren ist nun wirklich niemand. Dagegen sieht es doch bei uns zu Hause noch ganz gut aus, mag man sich am Ende denken. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist?
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.03.2025, 8:50 Uhr
Nächster Artikel
Stillhalteerklärung - Brandenburgs Verfassungsschutz setzt AfD-Hochstufung vorerst aus
Berlin-Spandau - 13-jähriger Tatverdächtiger nach Angriff an Grundschule gefasst
Zukunft von Potsdams Oberbürgermeister - Der Bürger entscheidet
Chronologie - Potsdamer Oberbürgermeister seit mehr als einem Jahr unter Druck
Berlin - Nach Fund von totem Baby in Neukölln - Mutter stellt sich
Fußball - Angeberwissen zum DFB-Pokalfinale
Berlin-Oberschöneweide - Vorbereitungen für Abriss der maroden Brücke an der Wuhlheide gestartet
Interview | Silvio Heinevetter - "Die Mannschaft, in der Mathias Gidsel spielt, gewinnt"
Wasserspringen - Hentschel/Sanchez holen EM-Gold vom 3-Meter-Brett
Maul- und Klauenseuche - EU zahlt Brandenburger Landwirten Millionenhilfen für Seuchen-Schäden
Verstorbene Rosenstolz-Sängerin - Posthum-Album von Anna R. soll im September erscheinen
Stahnsdorfer Pokalheld Hemicker vor Finale - Der Titan hilft mit
Ausstellung | Lygia Clark, Neue Nationalgalerie - Kunst als Ganzkörpererfahrung
Verlegung von Regiment - Bundeswehrkonvoi fährt auch durch Brandenburg
Premiere - Staatstheater Cottbus bringt Streit um Tesla-Fabrik Grünheide auf die Bühne
Auch Brandenburg dabei - Berlin bewirbt sich mit vier weiteren Bundesländern für Olympia
Kommentar | Neue mögliche Bewerbung - Berlin muss Ja oder nein zu Olympia sagen dürfen
Berliner Wohnungsmarkt - Gewerbeflächen-Anbieter will leerstehende Büros zu Mikro-Apartments umwandeln
Interview | Soziologin zu jungen Deutsch-Türkinnen - "Ihr Zuhause ist hier"
Berlin - Zehn Schulkinder bei Unfall mit BVG-Bus in Schöneberg verletzt
Geschäft in Wilmersdorfer Straße - Berliner Feinkosthändler Dietmar Rogacki stirbt bei Hausbrand
Flüchtlingsberatung in Berlin - Verein "Moabit hilft" verlässt Sitz in der Turmstraße - setzt Arbeit aber fort
Amtsgericht Bad Freienwalde - Frau kommt wegen Drohung gegen Göring-Eckardt vor Gericht
Fahneneid - Bundeswehrsoldaten leisten Gelöbnis vor Berliner Abgeordnetenhaus
Schwanebecker Chaussee - Mehr als 200 Minen in Bernau entdeckt - Sprengung voraussichtlich Ende Juni
Verpasster Aufstieg - Stadt hält an Halbe-Million-Euro-Finanzhilfe für Energie Cottbus fest
Facility Management - Mitarbeiter von Charité-Tochter setzen aktuellen Streik aus
Bildergalerie | 60. Geburtstag - Tom Tykwer: Regisseur, Erzähler, Perfektionist
In eigener Sache - 30 Jahre rbb-Regionalbüro in Perleberg – exklusiv für den Nordwesten
Grundschule in Berlin-Spandau - 13-Jähriger soll Mitschüler mit Stichwaffe schwer verletzt haben
Neuer Brandenburger Innenminister - Wilke will geschassten Verfassungsschutz-Chef nicht zurückholen
Künstliche Intelligenz von Meta - Mark Zuckerberg möchte an Ihre Daten - so können Sie widersprechen
99 Todesfälle in Brandenburg - Zahl der Hitzetoten lag 2024 deutlich über Durchschnittswert
DTM in Brandenburg - Angetrieben von 600 Pferden über den Asphalt des Lausitzrings
Wetterumschwung - Regenbänder bringen vereinzelt Gewitter nach Berlin und Brandenburg
Brandenburger Landtag - Neue Parlamentarische Kontrollkommission gewählt - AfD nicht vertreten
Landgericht Neuruppin - Verfahren wegen Volksverhetzung gegen AfD-Politiker in der Uckermark eingestellt
Vergleich bahnt sich an - Hertha BSC soll Ex-Manager Bobic mehr als drei Millionen Euro zahlen
Babelsbergs Daniel Frahn im Interview - "Ich wollte das Karriereende selbst in der Hand haben"
Ende Mai bis Ende Juni - Bundespolizei verbietet Waffen an mehreren Berliner Bahnhöfen
Bürgerproteste - Altdöbern stoppt geplante Fusion mit Großräschen
Teams, Tickets und TV-Übertragung - Alles Wichtige zum Landespokalfinale zwischen Krieschow und dem RSV Eintracht
Teams, Tickets und TV-Übertragung - Alles Wichtige zum Landespokalfinale zwischen Mahlsdorf und dem BFC Dynamo
Fußball-Zweitligist - Das wird auf der Hertha-Mitgliederversammlung wichtig
Festnahmen auch in Brandenburg - Fünf mutmaßliche Rechtsterroristen nach Razzia in Untersuchungshaft
Glänzendschwarzer Furchenstirn-Prachtkäfer - Verschollen geglaubte Insektenart nach 100 Jahren in Berlin wiederentdeckt
Landesregierung - René Wilke als Brandenburger Innenminister vereidigt
Nachfolgerin von Chialo - Sarah Wedl-Wilson als neue Berliner Kultursenatorin vereidigt
Schilf-Glasflügelzikade - Dieses Insekt könnte in Brandenburg zum Problem für die Ernte werden
Haus in der Warschauer Straße - Senat unterstützt Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bei Vorkaufsrechtsplänen
Festnahme in Berlin-Moabit - Anklage nach Überfall auf Getränkemarkt - Täter gaben sich als Polizisten aus
Angespannte Haushaltslage - Brandenburger Verkehrsministerium finanziert keine weiteren PlusBus-Linien
Klage von "Die Partei" - Gericht prüft Großspende für Berliner CDU
Angebot in Berlin - Frauen können bei Uber jetzt Fahrten nur von Fahrerinnen buchen
Brandenburger Landwirtschaft - Mai-Frost verursacht teils erhebliche Verluste im Obstbau
Neue Container-Dörfer in Berlin - Mehr als ein Drittel der geplanten Plätze für Geflüchtete ist nicht realisierbar
"A Year without Summer" in der Volksbühne - Schockeffekte, Entertainment - und ganz viel Liebe
Interview | Florentina Holzinger über "A year without summer" - "In meiner neuen Show stelle ich Monster der Medizingeschichte dar"
Radikalisierung - Wenn Jugendliche zu rechtsextremen Gewalttätern werden
Tatverdächtiger entlassen - Polizei ermittelt nach Messer-Vorfall in Neukölln gegen verletzten Beamten
Sarah Wedl-Wilson - Sparzwang setzt neue Berliner Kultursenatorin direkt unter Druck
Basketball-Bundesliga - Alba verliert zweites Playoff-Spiel gegen Ulm trotz Aufholjagd