Armut in Sambia Die vergessene Krise
Sambia gehört zu den ärmsten Ländern der Welt - doch die Not nehme kaum jemand wahr, kritisiert die Hilfsorganisation CARE. Zwar stabilisiert sich das Land politisch, aber Armut und Hunger prägen den Alltag.
Staubige, sandige Pisten führen durch die Region Chongwe. Dieser Verwaltungsbezirk gehört zur Provinz Lusaka - hier gibt es nur wenige, gute Straßen. Dorfbewohner sind oft dazu verdammt, stundenlang über Felder und Grasflächen zu laufen, wenn sie zur Schule oder zur Arbeit gehen. Jobs gibt es in den ländlichen Gebieten aber nicht ausreichend. Sambia ist bitterarm - mehr als 60 Prozent der Menschen, schätzen Hilfsorganisationen, leben unterhalb der Armutsgrenze. Viele wohnen in einfachen, gemauerten Häusern oder in Rondavels mit einem Dach aus trockenem Gras.
Seit Ende August 2021 ist der neue Präsident Hakainde Hichilema im Amt. Bei seiner Antrittsrede im Heroes-Stadion in Lusaka hatte er versprochen: "Wir werden unsere Wirtschaft wachsen lassen, damit wir mehr Menschen aus der Armut herausholen können als je zuvor. Wir werden Einheit und Vielfalt fördern und die Achtung der grundlegenden Menschenrechte, der Freiheiten und tatsächlich der Freiheit für alle unsere Menschen sicherstellen."
In den Monaten vor der Wahl hatte es viele Berichte über Machtmissbrauch des früheren Präsidenten Edgar Lungu gegeben. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte, Oppositionsführer, Journalisten, Medienhäuser und Aktivisten seien zur Zielscheibe geworden.
Ein typischer Rundbau der Region Chongwe - die Menschen in der Region müssen viele Entbehrungen meistern.
Langsame Verbesserung
Vorwürfe dieser Art sind seit der Amtsübernahme von Hichilema verstummt. Die neue Regierung hat damit begonnen, Korruptionsfälle aufzuarbeiten. Vor der Wahl brannten den Menschen vor allem die hohen Lebensmittel-, Benzin- und Strompreise auf den Nägeln. Inzwischen hat sich die Inflation verlangsamt. Laut dem Wirtschaftsbarometer Trading Economics fiel sie von fast 25 Prozent im vergangenen August auf nun gut 16 Prozent. Es ist besser geworden - gut ist es aber noch nicht.
Im Zuge der Covid-Pandemie hatte Sambia Ende 2020 seine Zahlungsunfähigkeit erklärt. Einen Grund dafür stellten die global gefallenen Kupferpreise dar, schließlich ist Sambia einer der weltgrößten Produzenten dieses Metalls. Dürren hatten in den Jahren zuvor die landwirtschaftlichen Erträge schrumpfen lassen. Derzeit sieht die Weltbank die Zeichen aber auf allmählicher Erholung und sagt Sambia für dieses Jahr ein Wachstum von 1,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts voraus.
Gravierende Mängel in der Infrastruktur
Doch nach wie vor müssen grundlegende Infrastrukturen verbessert werden. So wird in einigen Gegenden die Wasserqualität bemängelt. Mufulira etwa ist die viertgrößte Stadt im Land. Sie liegt im sogenannten Copperbelt, dem Kupferabbaugebiet im Zentrum Sambias. Joe Kalusa, Staatssekretär im Ministerium für Wasserentwicklung und Abwasserentsorgung, war vergangene Woche dort, weil es seit einiger Zeit viele Magen-Darm-Erkrankungen gibt.
Kalusa sprach von einem Problem. "Wir haben Berichte über die unzureichende Wasserversorgung in Mufulira erhalten. Ich weiß, dass wir viele flache Brunnen und einige Flüsse mit schmutzigem Wasser haben. Die Menschen brauchen so dringend sauberes Trinkwasser. Sie haben keine andere Wahl und Wasser ist knapp. Wir müssen uns darum bemühen, die schlechter gewordene Wasserversorgung und die sanitären Einrichtungen zu verbessern."
Die Wasserversogung ist eines von vielen Problemen in Sambia - vielerorts ist die Wasserqualität unzureichend.
Eine ganze Region ist betroffen
In der Region Chongwe ziehen Frauen zu Fuß mit Eimern los, wenn sie Wasser holen wollen. Die meisten Menschen dort haben nur eine Mahlzeit am Tag. In den Nachbarländern sieht es nicht viel anders aus. Im Nordosten schließt Malawi an, und auch das südlich angrenzende Simbabwe kennt solche Schwierigkeiten. erst
Hunger, Mangelernährung bei Kindern und Armut gehören für viele Menschen in diesen drei Ländern zum Alltag. Zusätzlich ist auch die Gefahr von Wetterextremen gestiegen. Erst gestern gab beispielsweise der sambische Wetterdienst eine Warnung heraus: in einigen Teilen des Landes bestehe die Gefahr von baldigen Sturzfluten.
Das Hilfswerk CARE veröffentlicht jährlich einen Bericht über zehn humanitäre Krisen, die unter dem Radar der Öffentlichkeit stattfinden. Für die Analyse "Suffering in Silence" wurden mehr als 1,8 Millionen Online-Artikel in fünf Sprachen ausgewertet. Untersucht wurde, welche humanitären Krisen mit mehr als einer Million Betroffenen am wenigsten in Medien genannt wurden. In diesem Jahr stehen diese Krisen auf der Liste:
1. Sambia: In dem afrikanischen Land leben 60 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze. 1,2 Millionen Menschen hungern.
2. Ukraine: Der bewaffnete Konflikt im Osten des Landes führt dazu, dass 3,4 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen.
3. Malawi: In dem südostafrikanischen Land führen Wetterextreme zu Hunger, Vertreibung und Armut. Mehr als jedes dritte Kleinkind ist wegen Mangelernährung unterentwickelt.
4. Zentralafrikanische Republik: Knapp die Hälfte der Bevölkerung hat durch einen immer wieder aufflammenden Bürgerkrieg nicht ausreichend Nahrung.
5. Guatemala: 40 Prozent der Einwohner des mittelamerikanischen Landes leben in extremer Armut, unter anderem wegen Trockenheit und Naturkatastrophen in Folge der Klimakrise.
6. Kolumbien: 6,7 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Insbesondere Kinder und Angehörige ethnischer Minderheiten sind betroffen.
7. Burundi: Bewaffnete Konflikte, Dürre und Extremwetter führen im kleinen ostafrikanischen Land zu Hunger und Flucht. 2,3 Millionen Menschen brauchen humanitäre Hilfe.
8. Niger: In dem westafrikanischen Land bedroht die Klimakrise die Existenz vieler Menschen. Knapp die Hälfte der Kinder bis fünf Jahren sind chronisch unterernährt.
9. Simbabwe: Das südafrikanische Land leidet unter Wasser- und Nahrungsmittelknappheit. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung hungert.
10. Honduras: Knapp ein Drittel der Menschen in dem zentralamerikanischen Land braucht wegen Korruption, Gewalt und Nahrungsmittelknappheit humanitäre Hilfe.