Kämpfe im Sudan Wer kann, der flieht
Im Sudan ist eine weitere vereinbarte Feuerpause offenbar sofort wieder gebrochen worden. Wer kann, flieht derweil mit seinen Habseligkeiten aus der Hauptstadt Khartum. Die Bundeswehr musste einen Evakuierungsversuch abbrechen.
Die heftigen Gefechte im Sudan gehen weiter. Laut Reportern und Augenzeugen auf Twitter waren Schüsse in der Hauptstadt auch nach 18 Uhr (Ortszeit/MESZ) zu hören. Die paramilitärische Gruppe RSF hatte sich zuvor am Nachmittag zu einer Feuerpause ab 18 Uhr bereit erklärt.
Die Hoffnung, dass diese halten würde, war allerdings ohnehin gering: Denn anders als noch am Dienstag hatte die rivalisierende sudanesische Armee einer Waffenruhe diesmal vorab nicht zugestimmt. Erst einige Minuten nach dem offiziellem Beginn erfolgte eine Mitteilung, man wolle sich an eine Waffenruhe halten. Die Kämpfe gingen einer Reporterin der Nachrichtenagentur dpa zufolge aber auch dann weiter.
"Khartum ist zu einer Geisterstadt geworden"
Wegen der schweren Kämpfe sind Tausende Menschen aus der Hauptstadt Khartum geflohen. "Khartum ist zu einer Geisterstadt geworden", sagte Atija Abdalla Atija von einer sudanesischen Ärztegruppe, der nach wie vor vor Ort ist. Augenzeugen sagten der Nachrichtenagentur AP, sie hätten gesehen, wie Hunderte geflohen seien und versucht hätten mitzunehmen, was sie konnten.
Gleichzeitig erschütterten Explosionen weiter die Stadt und Schüsse hallten durch die Straßen. Die USA und afrikanische Regionalmächte hatten auf eine Feuerpause zwischen dem Militär und der paramilitärischen Gruppe RSF gedrungen, um in dieser Zeit eine längerfristige Waffenruhe auszuhandeln. Doch trotz dieses internationalen Drucks brach bereits die erste Feuerpause, die ab Dienstagabend gelten sollte, rasch wieder zusammen.
Beobachter werteten das als Signal, dass die rivalisierenden Generäle Abdel Fattah Burhan von den sudanesischen Streitkräften und Mohammed Hamdan Dagalo von den RSF entschlossen waren, eine Entscheidung in dem Machtkampf herbeizuführen. Die beiden Lager bekämpfen sich seit Samstag mit schweren Maschinengewehren, Artillerie und Luftangriffen. Dabei wurden auch Wohngebiete von Khartum, der benachbarten Stadt Omdurman und andere Großstädte des Landes beschossen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat mittlerweile fast 300 Tote bestätigt. Tatsächlich dürften es aber viel mehr sein, denn Bewohner berichteten, dass zahlreiche Leichen auf den Straßen lägen und wegen der anhaltenden Gefechte nicht geborgen werden könnten.
Bundeswehr muss Evakuierungsversuch abbrechen
Regierungen anderer Länder begannen mit Planungen, ihre Mitarbeiter aus dem Sudan in Sicherheit zu bringen. Die Bundeswehr musste laut "Spiegel" wegen der anhaltenden Kämpfe in Khartum eine Evakuierungsaktion abbrechen. Dem Magazin zufolge sollten gut 150 Deutsche ausgeflogen werden. Dazu hätten drei Militärtransporter vom Typ A400M in Khartum landen sollen. Wegen der fortdauernden Kämpfe hätten die Planer der Bundeswehr und der Krisenstab im Auswärtigen Amt (AA) aber entschieden, die Evakuierungsmission abzubrechen, hieß es weiter.
Das Auswärtige Amt hat auf einer sogenannten Krisenvorsorgeliste eine niedrige dreistellige Zahl deutscher Staatsangehöriger im Sudan registriert, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Die Liste wird von der deutschen Auslandsvertretung im Sudan geführt und dient zur Vorsorge für Katastrophenfälle.
UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths sagte, die UN hätten "Berichte über Angriffe und sexuelle Gewalt gegen humanitäre Helfer" erhalten. Tausende Ausländer sind noch vor Ort, darunter viele UN-Mitarbeiter.
Scholz spricht von "schwieriger Lage"
Die Bundesregierung sei "entsetzt über das Ausmaß der Gewalt" insbesondere gegenüber Zivilisten, Diplomaten und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen, sagte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach am Rande eines Besuchs in Portugal von einer "bedrohlichen Situation" und einer "schwierigen Lage, die wir sehr genau beobachten".
Eine Sprecherin der EU-Kommission hatte zuvor bestätigt, dass ein EU-Funktionär bei den Kämpfen angeschossen und verletzt worden sei. Nach einem Bericht der "New York Times" handelte es sich um den Belgier Wim Fransen. Eine weitere Sprecherin teilte mit, dass das EU-Büro in Khartum weiter arbeite. Der EU-Botschafter Aidan O'Hara war erst vor wenigen Tagen in seinem Haus von Unbekannten angegriffen worden.
Humanitäre Lage immer bedrohlicher
Für die in ihren Wohnungen festsitzenden Zivilisten wurde die Lage derweil zunehmend hoffnungslos: Die Nahrungsmittelvorräte schwinden, der Strom fällt aus, Trinkwasser fehlt. Die sudanesische Ärztegruppe teilte mit, dass wegen der Gefechte Dutzende Einrichtungen für die gesundheitliche Versorgung ihren Betrieb hätten einstellen müssen. Mindestens neun Krankenhäuser seien bombardiert und 16 mit Gewalt geräumt worden.