Kämpfe im Sudan UN warnen vor Ausweitung der Krise
Trotz Waffenruhe wird im Sudan weiter gekämpft. International wächst die Sorge vor einer humanitären Krise in der gesamten Region. Das UN-Welternährungsprogramm warnt: Auch in den Nachbarländern sei die Versorgungslage angespannt.
Die anhaltende Gewalt im Sudan könnte über das Land hinaus die gesamte Region in Ostafrika in eine humanitäre Krise stürzen. "Im Land hungerte schon vor Ausbruch der Kämpfe ein Drittel der Bevölkerung, nun fehlt es an allem und die Preise für Nahrung schießen in die Höhe", sagte der Direktor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) in Deutschland, Martin Frick, der Nachrichtenagentur dpa.
Lebensmittelpreise massiv gestiegen
Auch in den Nachbarländern Tschad und Südsudan komme es zu ähnlichen Preisanstiegen, sagte Frick. Beide Länder hätten seit Beginn der Kämpfe im Sudan bereits Tausende Flüchtlinge aufgenommen. "Im Südsudan, das klimabedingt gleichzeitig in Überschwemmungen versinkt und andernorts vertrocknet, sind die Preise für Nahrungsmittel in kürzester Zeit um 28 Prozent gestiegen." Hinzu komme die angespannte Situation am Horn von Afrika, in der nach sechs ausgefallenen Regenzeiten die Not ebenfalls auf einem Rekordniveau sei.
Das WFP musste aufgrund der Kämpfe seine Unterstützung für 7,6 Millionen Menschen im Sudan einstellen. Gerade Flüchtlinge, die im Sudan untergekommen seien, Schwangere oder mangelernährte Kinder stünden ohne die Unterstützung des WFP vor dem Nichts, erläuterte Frick. Sobald es die Sicherheitslage erlaube, solle die Hilfe wieder aufgenommen werden.
EU warnt vor Desaster
Die Europäische Kommission befürchtet eine Ausweitung der Krise. "Das Risiko, dass die Krise auf umliegende Staaten in der Region übergreift, ist reell", sagte der für humanitäres Krisenmanagement zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic der "Welt am Sonntag". An den Sudan grenzen demnach weitere Staaten, die "höchst fragil" sind. "Die Konsequenzen wären desaströs. Das kann niemand wollen - darum muss die erste Priorität sein, die beiden Kriegsparteien zur Vernunft zu bringen", sagte er.
Lenarcic rechnet mit einer Verschärfung der Lage im Sudan, die schon vor der aktuellen Krise dramatisch gewesen sei und "jetzt nur noch schlimmer werden" könne. "Das Land steht in Flammen", sagte der Kommissar. Es fehle an sauberem Wasser, Nahrungsmitteln, Medikamenten und Kraftstoff. Hunderte humanitäre Programme im ganzen Land seien suspendiert worden, Lagerhäuser geplündert und Transportmittel, auf die humanitäre Helfer angewiesen sind, zerstört. Dafür seien allein die beiden Kriegsparteien verantwortlich - aber die Zivilbevölkerung des Sudan müsse dafür "zahlen", sagte Lenarcic.
Heftige Kämpfe trotz Waffenruhe
Im Sudan kämpfen Armeeeinheiten seit dem 15. April unter dem Kommando von Armeechef Abdel Fattah al-Burhan gegen die von dem General Mohamed Hamdan Daglo angeführte paramilitärische Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Mehr als 520 Menschen wurden seitdem getötet und mehr als 4500 verletzt.
Auch am Samstag gab wieder heftige Kämpfe im Land - trotz einer vereinbarten Waffenruhe. Über die Hauptstadt Khartum flogen Kampfflugzeuge, wie ein Bewohner der Nachrichtenagentur AFP sagte. Als Reaktion auf die Luftangriffe seien Luftabwehrgeschosse abgefeuert worden. Ein anderer Augenzeuge sagte, die Kämpfe seien am Morgen fortgesetzt worden, unter anderem an der Zentrale des staatlichen Rundfunksenders in Khartums Nachbarstadt Omdurman. Über dem Flughafen von Khartum hing Rauch.
In Khartum versuchen viele Menschen weiterhin, vor den Kämpfen zu fliehen. Strom und Leitungswasser gibt es nicht mehr, Internet und Telefon funktionieren nur noch sporadisch. Benzin, Bargeld und Lebensmittel werden knapp. Mehrere tausend Flüchtlinge sind bereits in den Nachbarländern angekommen, vor allem in Äthiopien und Ägypten.
USA bringen Menschen per Schiff aus dem Land
Die Evakuierung von Ausländern läuft inzwischen überwiegend über das Meer. Am Samstag erreichte ein von den USA organisierter Fahrzeugkonvoi die Hafenstadt Port Sudan. Wie das US-Außenministerium mitteilte, waren neben US-Bürgern auch Ortskräfte aus dem Sudan und Staatsangehörige verbündeter Länder an Bord. Sie sollten von Port Sudan aus über das Rote Meer nach Dschiddah in Saudi-Arabien gebracht werden.
Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, machte keine Angaben dazu, wie viele Menschen sich in dem Konvoi befanden. Er sprach aber von Hunderten Evakuierten - zusätzlich zu den US-Diplomaten, die bereits vor einer Woche aus dem Sudan ausgeflogen worden waren. Andere Länder, darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien, hatten ihre Staatsbürger in den vergangenen Tagen per Flugzeug in Sicherheit gebracht. Die Bundeswehr flog nach eigenen Angaben seit Sonntag vergangener Woche rund 780 Menschen aus über 40 Nationen aus dem Sudan aus, darunter 230 Deutsche.
Abschiebestopp gefordert
Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl spricht sich für einen bundesweiten Stopp von Abschiebungen in den Sudan aus. "Die Bundesregierung kann nicht weiter zusehen, dass Menschen angedroht wird, in ein Gebiet abgeschoben zu werden, in dem ein bewaffneter Konflikt stattfindet", sagte ihr flüchtlingspolitischer Sprecher Tareq Alaows dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Es sei nicht absehbar, wann die Kämpfe beendet seien, warnte Alaows. "Deshalb brauchen wir einen bundesweiten Abschiebestopp jetzt. Wir können nicht einerseits Menschen evakuieren und andererseits Menschen abschieben." Ungefähr die Hälfte der sudanesischen Flüchtlinge in Deutschland sei nur geduldet und daher von Abschiebung bedroht.
Auch Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) befürwortete kürzlich im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) einen Abschiebestopp in den Sudan. Der Berliner Senat hat ihn bereits erlassen. Ausnahmen gelten allerdings für Straftäter mit nicht geringen Vergehen, bei sogenannten aufenthaltsrechtlichen Gefährdern und für Personen, die sich hartnäckig der Identitätsfeststellung verweigern.