Argentinien Rechtspopulist Milei gewinnt Präsidentschaftswahl
Er will die Zentralbank abschaffen und den US-Dollar einführen - der Rechtspopulist Milei wird Argentiniens neuer Präsident. Der bisherige Wirtschaftsminister Massa räumte seine Niederlage ein und gratulierte ihm zum Sieg.
Der Rechtspopulist und Oppositionspolitiker Javier Milei hat die Präsidentenwahl in Argentinien gewonnen. Der Kandidat der Partei La Libertad Avanza (Die Freiheit schreitet voran) lag mit 55,76 Prozent deutlich vor Wirtschaftsminister Sergio Massa von der linken Unión por la Patria (Union für das Vaterland) mit 44,23 Prozent, wie das Wahlamt des südamerikanischen Landes nach der Auszählung fast aller Stimmen mitteilte.
"Heute beginnt der Wiederaufbau von Argentinien. Das ist ein historischer Abend", sagte Milei nach der Bekanntgabe des Ergebnisses. "Ich will eine Regierung, die ihre Pflicht erfüllt, die das Privateigentum und den freien Handel respektiert."
Regierungskandidat Massa räumte seine Niederlage ein. "Javier Milei ist Präsident. Ich habe ihm gratuliert, denn die Mehrheit der Argentinier hat ihn gewählt", sagte er. "Ab morgen liegt es in der Verantwortung des gewählten Präsidenten, Sicherheit und Garantien zu bieten, und wir hoffen, dass er dies tun wird."
US-Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel
Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise verspricht der selbst ernannte "Anarchokapitalist" Milei eine radikale Kehrtwende: Er will den US-Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel einführen, die Zentralbank sowie viele Ministerien abschaffen und die Sozialausgaben kürzen. Regierungskandidat Massa stand hingegen für die bisherige Politik mit massiven Eingriffen des Staates in die Wirtschaft und umfangreichen Sozialprogrammen.
"Niemand mit so extremen Ansichten in Wirtschaftsfragen ist je zum Präsidenten eines südamerikanischen Landes gewählt worden", sagte der Ökonom Mark Weisbrot vom US-Forschungsinstitut Center for Economic and Policy Research. "Er erkennt kaum eine legitime Rolle der Regierung in einigen der wichtigsten Politikbereiche an, die die meisten Menschen als notwendig für eine demokratische, humane und stabile Gesellschaft ansehen."
Milei profitiert von Dauerkrise Argentiniens
Milei profitierte vor allem von der Wut vieler Argentinier auf die Dauerkrise und das politische Establishment. Mit zerzaustem Haar und laufender Kettensäge wetterte er bei Wahlkampfveranstaltungen gegen die von ihm verhasste politische "Kaste". Der Politiker will außerdem den Waffenbesitz liberalisieren, ist gegen das Recht auf Abtreibung, glaubt nicht an den menschengemachten Klimawandel und schimpft den argentinischen Papst Franziskus einen Kommunisten. Zwar bedient er sich wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump und der frühere brasilianische Staatschef Jair Bolsonaro einer Anti-System-Rhetorik, allerdings verzichtet er im Gegensatz zu seinen Vorbildern auf rechtsradikale Ausfälle und befürwortet etwa die gleichgeschlechtliche Ehe.
Seine künftige Vizepräsidentin Victoria Villarruel hingegen bedient das konservative Klientel, pflegt Kontakte zu rechten Gruppierungen auf der ganzen Welt und provoziert immer wieder mit Äußerungen über die Militärjunta (1976-1983). Die Tochter eines Offiziers zieht die von Menschenrechtsorganisationen auf 30.000 geschätzte Zahl der Todesopfer bei Regierungsgegnern, linken Aktivisten, Gewerkschaftern und Studenten während der Diktatur in Zweifel und pocht ihrerseits auf mehr Anerkennung für die Opfer linker Guerillagruppen.
Inflationsrate weit über 100 Prozent
Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate liegt bei über 140 Prozent, etwa 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unterhalb der Armutsgrenze. Argentinien leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst ständig.
Der Sieg des marktliberalen Milei bedeutet eine echte Kehrtwende für Argentinien, wo die linken Peronisten seit über 20 Jahren maßgeblichen den Ton angeben, der Staat massiv in die Wirtschaft eingreift, öffentliche Dienstleistungen stark subventioniert werden und in zahlreichen Provinzen mehr Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor beschäftigt sind als in der Privatwirtschaft.
Keine Mehrheit im Parlament
Nun dürfte allerdings Mileis Kompromissfähigkeit getestet werden, denn allein wird er trotz seiner radikalen Rhetorik nicht weit kommen. Im Parlament hat er keine Mehrheit, sein Lager verfügt nicht über einen Provinzgouverneur, zudem fehlt ihm qualifiziertes Personal, um wichtige Schlüsselpositionen zu besetzen.
Der politische Gegner hingegen kann ihm das Leben als Staatschef schwer machen: Die linken Peronisten sind über Gewerkschaften, soziale Bewegungen und Parteistrukturen bis in die kleinsten Gemeinden bestens organisiert und jederzeit in der Lage, das öffentliche Leben in Argentinien mit Protesten gegen die neue Regierung lahmzulegen.
Glückwünsche von Trump - Kritik aus Kolumbien
Nach Bekanntwerden des Ergebnisses gratulierte der frühere US-Präsident Trump Milei. "Ich bin sehr stolz auf Sie. Sie werden Ihr Land umkrempeln und Argentinien wirklich wieder großartig machen", schrieb er auf der von ihm mitbegründeten Plattform Truth Social.
Ohne seinen künftigen Kollegen direkt zu erwähnen, schrieb der linke brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva auf der Nachrichtenplattform X, ehemals Twitter: "Ich wünsche der neuen Regierung viel Glück und Erfolg. Argentinien ist ein großes Land und verdient unseren ganzen Respekt. Brasilien wird immer bereit sein, mit unseren argentinischen Brüdern und Schwestern zusammenzuarbeiten."
Der linke kolumbianische Staatschef Gustavo Petro wählte harschere Worte. "In Argentinien hat die extreme Rechte gesiegt, das ist die Entscheidung der Gesellschaft. Traurig für Lateinamerika: Der Neoliberalismus hat keinen Vorschlag mehr für die Gesellschaft, er kann nicht auf die aktuellen Probleme der Menschheit reagieren."