Colonia Dignidad in Chile Erste Entschädigungen für Sekten-Opfer
Nach einem 26 Jahre andauernden Rechtsstreit sollen die Opfer der deutschen Sekte Colonia Dignidad erstmals entschädigt werden. Das Geld dafür stammt aus versteigertem Eigentum der Sekte.
Im Süden Chiles hat ein Gericht ein großes Grundstück der ehemaligen Sekte Colonia Dignidad zwangsversteigert. Nach 26 Jahren Rechtsstreit sollen mit dem Erlös nun erstmals chilenische Opfer des früheren Sektenführers Paul Schäfer entschädigt werden.
Der Anwalt der damaligen Opfer, Winfried Hempel, stammt selbst aus der ehemaligen Colonia Dignidad. Er sprach von einer "Riesengenugtuung". Die Bedeutung dieser Wiedergutmachung gehe weit über den Sachwert hinaus.
"Es geht hier auch um eine historische Versteigerung, weil es das erste Mal ist, dass irgendetwas Materielles von der Kolonie angetastet wird, also Güter direkt von diesem Bollwerk, dass hier in Chile 50, 60 Jahre gemacht hat, was es wollte" so Hempel. "Und nicht nur angetastet wird, sondern direkt flüssig gemacht wird für Opfer."
"Entschädigung wird Opfern sehr helfen"
Zwei der ursprünglichen Opfer seien schon gestorben, die anderen über 40 Jahre alt. Tatsächlich waren es diese Menschen, die mit viel Mut das System der Colonia Dignidad offenlegten.
"Das sind Kinder aus einer ländlichen Gegend, aus der Umgebung der Kolonie, die damals als kleine Kinder missbraucht wurden, die heute einfache Bürger sind in Chile und denen diese Summe Geld ziemlich viel helfen wird", sagt Hempel. "Das muss man so schon stehen lassen, ganz abgesehen von dem, was ihnen in der Kolonie widerfahren ist, was natürlich ihr Leben in zwei Teile geschnitten hat."
Verfahren dauerte 26 Jahre
Das Verfahren hatte bereits 1996 begonnen. Gegenstand waren Entschädigungsforderungen wegen sexuellen Missbrauchs, den Sektenführer Schäfer an chilenischen Kindern aus der Umgebung der Colonia begangen hat. Erst 2013 hatte der oberste Gerichtshof Chiles die Forderungen als rechtmäßig bestätigt, weitere neun Jahre gingen bis zur jetzigen Versteigerung ins Land.
"Das ist eine geteilte Schuld hier: Einerseits hat die Kolonie sich mit allen Rechtsmitteln, mit den besten Anwälten und mit allem Geld, was sie haben gewehrt", sagt Hempel. Andererseits habe auch viel gegen die Opfer gespielt. Ein Problem sei gewesen, dass "die chilenische zivile Prozessordnung unwahrscheinlich alt und unmodern ist und noch in alten Akten geführt wird und das ist natürlich ganz komplex."
1,5 Millionen Euro Entschädigung
Insgesamt ist die Entschädigungssumme für die elf chilenischen Opfer oder deren Nachfahren auf umgerechnet etwa 1,5 Millionen Euro festgelegt. Die ausstehende halbe Million soll in wenigen Wochen durch weitere Versteigerungen eingeholt werden.
Sektenchef Schäfer war in Chile wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs verurteilt worden und starb 2010 im Gefängnis. In Deutschland wurden gegen ihn und seine Führungsclique nie Anklage erhoben.