Dominikanische Republik Das "Sehnsuchtsland" schottet sich ab
Gewalt, Bandenterror und zuletzt auch Cholera lassen tausende Haitianer ins Nachbarland flüchten. Das beliebte Urlaubsland reagiert mit Abschottung und dem Bau einer Mauer.
Noch steht nur eine niedrige Mauer am Grenzort Dajabon in der Dominikanischen Republik. Doch schon bald soll sie auf gut vier Meter anwachsen, ausgestattet mit Draht, Sensoren und Wachtürmen. Eine "intelligente Mauer" entsteht hier, berichten Militärs wie Juan Adames Almonte stolz.
"Der Grenzzaun wird Delikte wie Diebstahl und Schmuggel verhindern und den Zustrom von Personen massiv einschränken." Gemeint sind Menschen aus Haiti.
Ein Zaun über hunderte Kilometer
Wie die USA an der Grenze zu Mexiko baut auch die Dominikanische Republik auf mehr als 160 Kilometern einen massiven Grenzzaun. Das Ziel: Abschottung gegen den armen Nachbarstaat Haiti. Die beiden ungleichen Länder teilen sich die Antilleninsel Hispaniola.
Doch während Haiti am Abgrund steht, unter Bandenterror, Armut, den Auswirkungen schwerer Erdbeben und zuletzt sogar Cholera leidet, gilt die Dominikanische Republik mit ihren Stränden und kristallklarem Wasser als Urlaubsparadies für Europäer.
Nach der Pandemie floriert der Tourismus, die Wirtschaft wächst. Der Wohlstand ist zwar auch hier ungleich verteilt, doch für tausende Haitianer bleibt die Dominikanische Republik ein Sehnsuchtsland.
Manchmal wirkt die Grenze zwischen der Dominikanischen Republik und Haiti eher verschlafen. Doch der Eindruck trügt.
Am Abend müssen sie wieder zurück
Auch für Gymps Maly, der wie viele Haitianer jeden Freitag als Tagelöhner auf dem Markt im dominikanischen Dajabon schuftet. Abends muss er wieder zurück nach Haiti. Mit dem Schleppen von Gemüsekästen verdient er hier bis zu 400 dominikanische Pesos - etwa sieben Dollar.
Das sei viel weniger, als die Dominikaner bekommen. Die Arbeitgeber nutzen die Notlage der Haitianer aus, klagt Gymps. "In meiner Heimat gibt es weder Jobs noch Hoffnung. Also zahlen sie zahlen uns schlecht, obwohl wir schnell und hart arbeiten."
Chancen auf eine Aufenthaltserlaubnis in der Dominikanischen Republik sieht er nicht für sich. "Zu kompliziert", sagt Gymps. Etwa eine halbe Million Haitianer lebt in der Dominikanischen Republik, viele ohne Papiere. Sie führen derzeit ein Leben in Angst.
Sie prägen das Bild auch des Markts der Grenzstadt Dajabon: Migranten aus dem benachbarten Haiti.
Zehntausende werden abgeschoben
Denn die Dominikanische Republik schiebt massiv Haitianerinnen und Haitianer ab, trotz der humanitären Krise im Land und trotz des weiter wachsenden Chaos nach der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Sommer 2021. Allein dieses Jahr sollen es 60.000 Menschen gewesen sein.
Zuletzt führte das zu Kritik, auch von den Vereinten Nationen. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk rief die Regierung auf, diese Praxis angesichts von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen in Haiti zu stoppen. Zugleich forderte er die dominikanischen Behörden auf, mehr gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung aufgrund von nationaler oder ethnischer Herkunft zu tun.
Aussagen, die in der Dominikanischen Republik überhaupt nicht gut ankamen. Die Einwanderungspolitik sei Hoheitsbereich der Regierung, erklärte der dominikanische Präsident Abinader. Gymps Maly, der haitianische Tagelöhner, sieht es so: "Viele Dominikaner respektieren uns nicht, weil wir schwarz sind. Es gibt viel Rassismus."
Rückwirkend die Staatsbürgerschaft aberkannt
Tatsächlich ist die Migration schon lange ein heißes Eisen zwischen den Nachbarn. Im 20. Jahrhundert warb die Dominikanische Republik zwar zehntausende haitianische Erntehelfer an, die blieben und Familien gründeten. Lange galt: Wer im Land geboren wird, bekommt die Staatsbürgerschaft.
Das änderte sich mit einem Verfassungsgerichtsurteil von 2013. Plötzlich hatten alle seit 1929 im Land geborenen Kinder von undokumentierten Ausländern rückwirkend kein Recht mehr auf die dominikanische Staatsbürgerschaft. De facto traf das zehntausende - fast ausschließlich von Haitianern abstammende - schwarze Menschen.
Internationaler Druck bewirkte zwar, dass sie sich um die dominikanische Staatsbürgerschaft bemühen durften. Doch diese Programme liefen sehr schleppend, kritisiert William Charpentier, der beim "Nationalen Bündnis für Migration und Flüchtlinge" haitianischen Migranten bei der Legalisierung ihrer Dokumente hilft.
In seinem kleinen Büro hat Charles (Name geändert) Platz genommen. Er lebte seit Jahren legal in der Dominikanischen Republik. Doch nun warte er schon sieben Monaten er auf die Erneuerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Die Migrationsbehörde reagiere nicht. "Wenn die Polizei mich anhält, dann kann alles passieren", sagt Charles.
Wer den Reichtum erarbeitet
Besonders bitter sei das, weil der Wohlstand in der Dominikanischen Republik auch von Haitianern mit erarbeitet wird, kritisiert Charpentier. Tatsächlich ist ein Heer von haitianischen Billigarbeitern auf dem Bau, in der Landwirtschaft und auch im Tourismus beschäftigt.
Einige Branchen würden ohne Haitianer zusammenbrechen, berichtet Charpentier. "Auf jeden Fall würde es viel teurer, wenn die Arbeitgeber Dominikaner anstellen müssten. Die Haitianer leisten hier harte Arbeit, sie bauen Brücken, Hotels, Straßen. Das Mindeste, was der dominikanische Staat ihnen garantieren müsste, ist Gesundheitsversorgung und Bildung für ihre Kinder."
Als Illegale aber haben sie dazu keinen Zugang und können sich auch kaum gegen Ausbeutung wehren. Der Bau der Mauer sei da nur ein Symbol: "Eine Mauer impliziert immer, dass sich eine Seite überlegen fühlt. Eine Mauer spaltet die Menschen", sagt Charpentier.
Bisher aber macht die dominikanische Regierung keine Anstalten, ihre Politik zu überdenken. Die Dominikanische Republik leide als Nachbarland am stärksten unter der Krise in Haiti und biete Haitianern mehr Unterstützung als andere Länder, heißt es von der Regierung. Sie kündigte zudem an, die Abschiebepraxis beizubehalten.