Haitis Fußball-Nationalteam Hoffen auf "Les Grenadières"
Es gibt keine Frauenfußball-Tradition in Haiti. Wie auch? Das Land ist vom Machismus geprägt, von Erdbeben und Bandenkriegen gebeutelt. Und doch setzen viele Menschen dort jetzt große Hoffnungen in ihr Team.
Als der Fußball-Pokal vor der Frauen-WM im Frühjahr durch die Welt geschickt wurde - durch die 32 Länder, die an der Frauen-WM teilnehmen -, machte er auch Halt in Haiti. Die Torwartin Kerly Theus - geboren und aufgewachsen in Haiti - war mit nur einer weiteren Spielerin extra dafür angereist. Ihre Mutter war eigentlich dagegen, dass sie kommt, sagt sie. Doch sie wollte der Welt zeigen, dass nicht alles in Haiti negativ ist. Sie wolle den jungen Mädchen Hoffnung geben, erklärte Theus gegenüber der Nachrichtenagentur AP.
Im Juli werden wir gemeinsam träumen, gemeinsam leiden, gemeinsam vor Freude springen, aber wir brauchen eure Unterstützung, um diese Kämpfe zu bestehen, die uns in Australien und Neuseeland erwarten. Haiti kann auf uns zählen, wir zählen auf Haiti.
Nationalmannschaft konnte lang nicht in Haiti spielen
Während in anderen Ländern ein riesiger Empfang organisiert worden war, wurde die Trophäe in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince aus Sicherheitsgründen von einem spärlichen Publikum, vor allem von männlichen Fußballfunktionären, gefeiert. Die Frauennationalmannschaft konnte mehr als drei Jahre lang nicht in Haiti spielen, selbst Heimspiele mussten in der Dominikanischen Republik ausgetragen werden - wegen der massiven Gewalt im Land, den kriminellen Banden, die sich täglich auf den Straßen blutige Auseinandersetzungen liefern.
Frauen-WM hat wohl positiven Effekt auf das Land
Der Geist von Sportereignissen habe einen positiven Effekt, sagt Verlanda Alexandre aus der Hauptstadt Port-au-Prince am Telefon. "Es gibt weniger Kidnappings, die Leute setzen einen anderen Fokus und ich bin mir sicher, das hat etwas damit zu tun." Es bringe die Leute zusammen.
Die 37-jährige Lehrerin ist stolz auf das Frauenteam, "Les Grenadières", wie sie sich nennen. Die Spielerinnen hätten trotz aller Widerstände und einem ausgeprägten Machismus im Land viel erreicht. Nach wie vor erhalte Frauenfußball noch zu wenig Aufmerksamkeit. "Aber deswegen ist es wirklich ein Riesending. Jetzt können alle sehen, dass es keine schlechte Sache ist, wenn Mädchen Fußball spielen."
Haiti starten mit großen Hoffnungen in WM
Die meisten Spielerinnen kommen aus dem nationalen Trainingszentrum Croix-des-Bouquets. Von den 19 Spielerinnen der Nationalmannschaft sind 15 in Haiti geboren und 4 in den USA. Heute spielen die meisten für Clubs in Frankreich oder den USA. Bei der WM hegen sie große Hoffnungen: Sie spielten bereits eine gute Partie gegen Chile, bei der sich die Frauennationalmannschaft der Haitianerinnen erstmals für eine WM qualifizieren konnten. Der Jubel war groß.
Vorwurf des sexuellen Missbrauchs
Überschattet wurde der Moment der Freude allerdings von erschreckenden Schlagzeilen. Yves Jean-Bart, der Präsident des haitianischen Fußballverbandes, wurde zwar zunächst lebenslang gesperrt, weil er nach Aussagen Betroffener junge Spielerinnen zum Sex mit ihm gezwungen haben soll. Der Internationale Sportgerichtshof hob die Sperre allerdings wieder auf - mit der Begründung, die Aussagen der Betroffenen seien widersprüchlich, die Beweislage nicht eindeutig.
Massive Kritik von Menschenrechtsorganisationen wurde laut, weil es kein Zeugenschutzprogramm gebe, es an entsprechenden Strukturen fehle. Aussagewillige Spielerinnen erzählten von Morddrohungen, wie mehrere Medien berichteten.
Haiti im Fußballfieber
Trotzdem seien die Haitianerinnen und Haitianer in diesen Tagen im Fußballfieber, sagte Muscone Thales. Der 38-jährige Bauarbeiter hofft, dass die Frauenmannschaft internationale Aufmerksamkeit für die massiven Probleme des Landes gewinnen kann. Er jedenfalls werde alle Spiele der Haitianerinnen anschauen.
Er sagte: "Selbst wenn es keine Elektrizität gibt, es unsicher auf den Straßen ist, werden wir alles dransetzten, dass wir die Spiele auf den Plätzen, in den Bars und Restaurants sehen können." So zumindest die Hoffnung.