US-Abgeordneter George Santos Der nützliche Hochstapler
Der neue republikanische Kongressabgeordnete Santos wurde mit einem ziemlich frei erfundenen Lebenslauf gewählt. Seine Parteikollegen zu Hause auf Long Island fordern seinen Rücktritt. Doch in Washington wird er gebraucht.
Der Lebenslauf, mit dem sich George Santos bei der republikanischen Partei in Nassau County auf Long Island in New York 2020 als Kandidat fürs Repräsentantenhaus bewarb, liest sich eindrucksvoll.
Unter den Klassenbesten in seinem Abschlussjahrgang am renommierten Baruch College. Ein Master in Business Administration von der New York University. Erfolgreicher Projektmanager bei der Investmentbank Goldman Sachs. Nur: alles gelogen, wie die "New York Times" schon vor Wochen enthüllte.
Entrüstung erst nach der Vereidigung
Jetzt, wo Santos als Abgeordneter vereidigt ist, geben sich seine bisherigen Freunde und Förderer in seinem Kreisverband entsetzt. "Sein Wahlkampf bestand aus Täuschung, Lügen und Fabrikationen", so der Parteichef von Nassau County, Joseph Cairo Jr., am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. "Und diese Lügen waren nicht nur kleine Flunkereien."
Im Wahlkampf etwa hatte Santos behauptet, der Nachfahre von Holocaust-Überlebenden zu sein. Auch gelogen. Damit habe Santos das Repräsentantenhaus entehrt, sagte Cairo. Und der Parteifunktionär räumte ein, gegenüber dem smarten, aufstrebenden Polit-Talent viel zu leichtgläubig gewesen zu sein: "Mein Fehler ist, dass ich den Menschen glaube."
Santos auch juristisch unter Druck
Cairo und der Kreisverband fordern nun den Rücktritt von Santos. Genau wie dessen Abgeordneten-Kollege aus dem benachbarten Wahlkreis, Anthony D'Esposito. Santos habe das Vertrauen aller Amerikaner verraten: "Er hat nicht die Fähigkeit zum Abgeordneten. Er sollte zurücktreten."
Der Druck auf den 34-jährigen Santos wird damit noch größer. In New York laufen zwei Vorermittlungsverfahren, wegen möglicher Verstöße gegen Wahlfinanzierungsgesetze. Santos soll seiner eigenen Kampagne 700.000 Dollar gespendet haben. Unklar ist, woher er das Geld hatte. Und auch in Brasilien, wo er offenbar einige Zeit lebte, wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Scheckbetrugs wieder aufgenommen.
Demokraten kritisieren neuen Vorsitzenden McCarthy
Die Demokraten im Repräsentantenhaus wollen, dass der Ethikausschuss sich mit Santos befasst. Schuld an dem peinlichen Debakel trage nicht Santos allein, sagt Pete Aguilar, Chef des "Democratic Caucus" und damit einer der ranghöchsten Vertreter seiner Partei im Parlament. Schuld sei in Wirklichkeit der neue republikanischen "Speaker of the House":
Kevin McCarthy hat das zu verantworten. Ohne Santos, wie wäre seine Wahl zum Speaker ausgegangen? Das ist doch der einzige Grund, warum George Santos sein Mandat wahrnehmen konnte: um für McCarthy zu stimmen.
McCarthy schützt Santos
Tatsächlich konnte sich McCarthy auf Santos bislang verlassen: Er stimmte für ihn - in jedem einzelnen der 15 Wahlgänge. Und bislang hält McCarthy seine schützende Hand über den Hochstapler: "Ich halte mich an die Verfassung. Santos wurde schließlich gewählt. Wenn es Bedenken gibt, kann sich der Ethikausschuss damit beschäftigen."
Klar ist: Sollte Santos zurücktreten, müsste in seinem Wahlkreis in New York ein Nachfolger gewählt werden. Und die Demokraten hätten gute Chancen, den Sitz, den sie bis zu den Zwischenwahlen besetzten, zurückzugewinnen. Dann würde die Mehrheit der Republikaner auf gerade mal acht Stimmen zusammenschrumpfen. Aber bislang jedenfalls denkt Santos nach eigenem Bekunden auch nicht an Rücktritt.