Desinformation in den USA Wie sich soziale Medien auf die Wahl vorbereiten
Schon nach der US-Wahl 2020 war die Kritik groß. Dieses Jahr dürfte die Zahl der Falschnachrichten und Deep Fakes im Wahlkampf noch sehr viel höher sein. Die Social-Media-Unternehmen gehen das Problem unterschiedlich an.
Ein sogenannter Robocall sorgte in den US-Medien vor einigen Tagen für Schlagzeilen. Denn darin schien US-Präsident Joe Biden Wähler im US-Bundesstaat New Hampshire aufzufordern, sich bei den Vorwahlen zu enthalten.
Die Stimme war allerdings nicht echt, sondern ein mit künstlicher Intelligenz (KI) erstelltes Deepfake. Es ist ein Vorgeschmack auf das, was sich in den nächsten Wochen und Monaten vor der US-Wahl in den sozialen Netzwerken abspielen dürfte.
"Symbolischer Akt"
Tech-Konzerne und Social-Media-Plattformen wie Meta, X, TikTok, Microsoft, Google oder Snap versprachen auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die Gefahr durch Fakenews stärker zu bekämpfen. Vor den anstehenden Wahlen sollten von KI erstellte Inhalte besser gekennzeichnet und in der Bevölkerung für Aufklärung über KI gesorgt werden.
Dies sei aber ein eher symbolischer Akt, meint Karen North, Professorin für Kommunikation und Social-Media-Expertin von der Universität USC Annenberg in Los Angeles. Ihrer Erfahrung nach gebe es nicht annähernd genug Personal, um KI-generierte Inhalte zu überprüfen. Auch KI-Software, die KI-Inhalte erkennt, funktioniere noch nicht fehlerfrei.
X erlaubt politische Werbung
Die Erklärung in München ist ein Minimalkompromiss, auf den sich die Unternehmen einigen konnten. Denn die Strategie der Social-Media-Plattformen ist sehr unterschiedlich.
X, früher Twitter, setzt auf eine breite Meinungsvielfalt. Dazu gehört auch, dass erstmals wieder politische Werbung erlaubt ist. Mit Blick auf die US-Wahl soll das Sicherheits- und Wahlteam verstärkt werden, um Falschinformationen zu bekämpfen, hieß es im vergangenen Jahr. Die Plattform dürfte viel zu tun haben; die EU hatte X-Chef Elon Musk im September gerügt, nachdem festgestellt wurde, dass X die höchste Rate an Desinformation aufweist.
Auch bei der Videoplattform Snapchat ist politische Werbung grundsätzlich erlaubt, sagt Lennart Wetzel vom Presseteam gegenüber der ARD: "Außerdem wird jede politische Werbung durch unser Team händisch überprüft." Die Plattform ist, ähnlich wie TikTok, vor allem bei jüngeren Usern sehr beliebt.
Kleinere Rolle politischer Inhalte bei Meta
Eine ganz andere Strategie fährt Meta, das Mutterunternehmen von Facebook, Instagram, Threads und WhatsApp. Politische Wahlwerbung ist dort nicht erlaubt.
Überhaupt sollen politische Inhalte dort demnächst eine viel kleinere Rolle spielen. Der Konzern will Usern keine politischen Inhalte aktiv vorschlagen, verkündete Instagram-Chef Adam Mosseri in einem Post. Nutzer, die daran interessiert seien, könnten sich bewusst selbst dafür entscheiden, heißt es. Inhalte von Konten, denen man folgt, sind ausgenommen. Was genau "politisch" bedeutet, wurde aber nicht näher definiert.
Meta wolle sich damit vor Kritik schützen, meint Karen North: "Sie sagen damit, dass sie sich nicht politisch engagieren und keine politischen Botschaften verbreiten werden. Es liege am Nutzer, das bewusst zu tun." Meta wolle sich damit aus der Verantwortung ziehen.
"Qualitätsjournalismus abgewertet"
Medienmacher waren daraufhin alarmiert, denn das könnte auch bedeuten, dass Nutzern weniger Nachrichtenartikel vorgeschlagen werden. "Man kann davon ausgehen, dass es bedeutet, dass Qualitätsjournalismus dadurch abgewertet wird", glaubt Monika Bäuerlein, Geschäftsführerin und Autorin des linksliberalen US-Magazins "Mother Jones", das für seine Investigativrecherchen bekannt ist.
Dort beobachtet man schon länger, dass Meta sich aus dem Nachrichtengeschäft zurückzieht, weil mit Journalismus auf den Plattformen kein Geld zu verdienen sei: "Es ist wirklich das, was man hier einen 'perfect storm' nennt. Dass gleichzeitig eine gewisse Nachrichtenmüdigkeit beim Publikum da ist, es die Plattformen immer schwieriger machen, auch für Menschen, die Nachrichten sehen wollen, diese zu finden."
Und dies alles, so warnt Bäuerlein, vor einer Wahl, bei der es wirklich um die Zukunft der Demokratie in den USA gehe.