Als Tourist auf dem Tauchboot "Titan" "Das ist ein Himmelfahrtskommando"
Der Unternehmer Arthur Loibl fuhr 2021 mit dem Tauchboot "Titan" hinunter zum Wrack der Titanic. Im Interview schildert er die beengten Bedingungen an Bord. Heute sagt er: Man müsse verrückt sein, eine solche Fahrt zu unternehmen.
tagesschau24: Mit welchen Gedanken verfolgen Sie die Suchaktion?
Arthur Loibl: Ich verfolge das sehr intensiv. Ich war selber mit dabei und kenne zwei Personen, die an Bord sind, persönlich, da sie seinerzeit mit mir im Tauchgang im U-Boot waren.
Der Unternehmer Arthur Loibl war 2021 einer der ersten Touristen, der mit der "Titan" zum Wrack der "Titanic" fuhr.
"Es muss sich da unten eine Tragödie abspielen"
tagesschau24: Was bedeutet das emotional für Sie?
Loibl: Es ist Anspannung, es ist Schmerz, es tut weh. Man ist in Gedanken bei den Personen und ihren Familien, auch bei den drei, die man nicht kennt. Es muss sich da unten wirklich eine Tragödie abspielen. In dem U-Boot so lange drin zu sein, muss furchtbar sein.
tagesschau24: Die Klopfgeräusche, die jetzt laut Medienberichten gemeldet werden, geben die aus Ihrer Sicht Anlass zur Hoffnung, dass die Menschen an Bord noch leben könnten?
Loibl: Die Berichte, die ich aus Amerika gehört habe, besagen, dass diese Geräusche wieder verstummt sind. Hoffen wir auf das Allerbeste. Natürlich kann man solche Geräusche lokalisieren, aber dann müssen sie das U-Boot auch noch nach oben bringen. Das darf man nicht vergessen.
"Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen"
tagesschau24: Können Sie sich zusammenreimen, warum das abzusuchende Gebiet überhaupt so groß ist? Der Laie würde ja annehmen, dass das Boot sich ständig in der Nähe des Titanic-Wracks befindet.
Loibl: Man kann da nur mutmaßen. Wir hatten seinerzeit erhebliche Probleme mit der Elektrik, mit den Batterien. Meine persönliche Meinung ist: Es gibt einen Stromausfall. Damit können sie das U-Boot weder lenken, noch Kontakt aufnehmen.
Und es herrscht da unten alle paar 100 Meter eine andere Strömung, und die Strömung ist nicht gerade gering. Man weiß nicht, in welche Richtung das U-Boot, wenn es abgetrieben wird, hingeht. Das ist dann die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.
tagesschau24: Wie ist es denn, in diesem Boot zu sein - normalerweise?
Loibl: Sie müssen sich vorstellen, die Sitzfläche ist ungefähr 2,5 Meter lang. Man kann nur sitzen, man kann weder stehen noch knien. Und man darf keine Berührungsängste haben, weil ja die Füße übereinanderstehen. Es ist sehr, sehr eng, es ist dunkel - man darf keine Platzangst haben.
tagesschau24: Und es gibt ja auch nur wenige Fenster, um nach draußen zu gucken.
Loibl: Es gibt nur ein Fenster mit ungefähr 40 Zentimetern Durchmesser. Unbestätigten Berichten zufolge, die ich heute aus Amerika bekommen habe, soll dieses Fenster nur eine Zulassung bis 1300 Meter Tiefe haben. Aber das sind, wie gesagt, unbestätigte Berichte.
"Die Leute sitzen am Boden, eng aneinandergepresst"
tagesschau24: Aus Ihrer Erfahrung heraus: Wie muss man sich die Situation jetzt wohl in dieser Not vorstellen?
Loibl: Sie müssen sich vorstellen: Es ist keine Toilette an Bord, es ist gar nichts an Bord. Die Leute sitzen am Boden, eng aneinandergepresst. Da unten herrschen ungefähr vier Grad und sie wissen, sie haben für 92 bis 96 Stunden Sauerstoff.
Mit jeder Stunde, die verrinnt, muss es immer grausamer werden. Ich will mir die Situation gar nicht vor Augen führen. Es muss grausam sein, was die Leute gerade mitmachen.
tagesschau24: Sie haben erwähnt, dass es damals schon Probleme mit der Elektrik gab. Und nun wird auch von verschiedenen anderen Sicherheitsmängeln bei diesem Boot berichtet. Was haben Sie denn bei Ihrer Tour noch an Mängeln wahrgenommen?
Loibl: Bei meiner Tour sind beim Ablass ins Wasser die Stabilisierungsrohre, die außen am U-Boot angebracht sind, um das U-Boot im Wasser ruhig zu halten, auf einer Seite abgerissen. Wir sind wieder ans Schiff zurückgezogen worden und die Rohre wurden dann relativ einfach von außen mit Kabelbinder neu befestigt. Es gab zeitweise den Gedanken, dass es ein bisschen primitiv war.
tagesschau24: Hatten Sie dann keine Sorge, wieder an Bord zu gehen?
Loibl: Wir sind während der Reparatur im U-Boot geblieben. Wir waren damals zehneinhalb Stunden dort drin, denn wenn wir das U- Boot geöffnet hätten und rausgegangen wären, hätten wir das Zeitfenster verpasst und hätten nicht mehr tauchen können.
"Damals keine Bedenken gehabt"
tagesschau24: Und Sie hatten keine Sorge, wieder abzutauchen?
Loibl: Nicht wegen dieser Sache. Die schien mir relativ gut repariert. Da war man so angespannt, dass ich damals keine Bedenken gehabt habe.
tagesschau24: Gesteuert wird angeblich mit dem Controller einer Spielekonsole. Dabei wird ja andererseits viel Geld von den Touristen an Bord verlangt. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum da offenbar professionelle Ausrüstung fehlt und an der Sicherheit gespart wird?
Loibl: Ich glaube, das ist eine reine Kostenfrage. Ich habe 2017 gebucht und es kostete damals 110.000 US-Dollar. Heute rufen sie ja 250.000 US-Dollar auf. Ich glaube, es ist eine reine Kostenfrage, das sicherer zu machen.
"Man hat uns die Tour als sicher verkauft"
tagesschau24: Hat man Ihnen denn damals die Tour als sicher verkauft?
Loibl: Man hat uns die Tour als sicher verkauft, wobei ja die ersten zwei Touren ausfielen, weil das erste U-Boot nicht funktioniert hat. Sie haben ein neues U-Boot gebaut. Du musst Verträge unterschreiben, wo drinsteht, dass es mit dem Tod enden kann - wie bei jeder Operation. Das muss man mehrfach unterschreiben. Du musst den Veranstalter freistellen von jeden Haftungsansprüchen. Im Nachhinein betrachtet war das schon ein Himmelfahrtskommando.
tagesschau24: Warum macht man so etwas, warum steigt man an Bord?
Loibl: Ganz klare Aussage: Man muss verrückt sein - abenteuerlustig und dazu verrückt.
Das Gespräch führte Gerrit Derkowski, tagesschau24. Für die schriftliche Fassung wurde das Gespräch leicht angepasst.