Vor UN-Gipfel Es droht Streit über die Nachhaltigkeitsziele
Die Vereinten Nationen wollen heute ihre Nachhaltigkeitsziele wiederbeleben. Eine Staatengruppe um Russland hat angekündigt, Erklärungen zu blockieren. Auch Kanzler Scholz wird in New York sprechen.
Vor dem Start des Gipfels zu den UN-Nachhaltigkeitszielen sorgt der Brief einer Staatengruppe um Russland für Unruhe. In dem Schreiben kündigen elf Länder eine Blockade mehrerer Erklärungen an, die von der Weltgemeinschaft in dieser Woche angenommen werden sollen.
Dazu zählt ein Text, mit dem heute die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bekräftigt werden sollten. UN-Generalsekretär António Guterres hatte von einem "Quantensprung" zur Wiederbelebung der stark in Verzug geratenen Entwicklungsziele gesprochen.
Den der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Brief unterzeichneten neben Russland auch Belarus, Bolivien, Kuba, Nordkorea, Eritrea, der Iran, Nicaragua, Syrien, Venezuela und Simbabwe.
Kritik: Sanktionen behindern Entwicklungen
Die Länder beklagen in dem Schreiben Sanktionen, denen die Staaten unterlägen und die deren Entwicklung schadeten. Bei den Verhandlungen zu den insgesamt vier Erklärungen - die auch die Themen Pandemie-Vorsorge, Gesundheitsversorgung und den Kampf gegen Tuberkulose betreffen - seien "die berechtigten Anliegen einer großen Zahl von Entwicklungsländern ignoriert" worden. Russland war wegen seines Einmarsches in die Ukraine mit einer Reihe von Strafmaßnahmen belegt worden. Unklar ist, wie die anderen Länder auf den Brief reagieren werden und ob eine Annahme der Erklärungen in Gefahr ist.
Scholz und Selenskyj werden erwartet
Bei dem Gipfel zu den UN-Nachhaltigkeitszielen, der am Nachmittag beginnt, wird auch Bundeskanzler Olaf Scholz sprechen. Der SPD-Politiker nimmt im zweiten Jahr in Folge an der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York teil, die am Dienstag startet und eine Woche dauert.
Mit Spannung wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet, der ebenfalls heute in Manhattan ankommen dürfte.
Schulze: "Aufholjagd" bei UN-Gipfel
Zum Start des UN-Nachhaltigkeitsgipfels forderte die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze mehr Tempo im Kampf gegen Hunger, Ungleichheit und ökologische Krisen. "Es braucht jetzt eine Aufholjagd", sagte sie im Interview der "Süddeutschen Zeitung". Wenn es so weitergehe wie bisher, seien die globalen Nachhaltigkeitsziele nicht zu erreichen.
UN-Nachhaltigskeitsziele noch lange nicht erreicht
Im Jahr 2015 hatten sich die Vereinten Nationen mit den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen (SDG) zentrale Vorsätze für die globale Entwicklung gegeben, mit denen etwa Bildung verbessert oder Hunger und extreme Armut bis 2030 beendet werden sollen.
Doch die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und eine Schuldenkrise in armen Ländern haben das Erreichen der Ziele extrem zurückgeworfen: Wenn es so weitergeht wie bisher, werden im Jahr 2030 laut UN noch immer 575 Millionen Menschen in großer Armut und mehr als 600 Millionen in Hunger leben. Nur 15 Prozent aller formulierten Vorsätze sind den UN zufolge auf Kurs.
Reform der globalen Finanzstruktur im Mittelpunkt
Der Nachhaltigkeitsgipfel ist auch die Halbzeitbilanz der SDG. Es wird erwartet, dass UN-Chef Guterres erneut einen Plan zu ihrer Rettung fordern wird. Im Zentrum steht die Reform der internationalen Finanzstruktur, die es armen Ländern ermöglichen soll, an günstigere Kredite unter anderem von der Weltbank zu kommen.
Die UN fordern einen SDG-Stimulus von mindestens 500 Milliarden US-Dollar jährlich und eine Schuldenstruktur, die Zahlungsaussetzungen, längere Kreditlaufzeiten und niedrigere Zinsen erlaubt. Zugeständnisse der Industrienationen scheinen vor dem Hintergrund möglich, dass der Westen mit China und Russland zunehmend um die Gunst der Entwicklungsländer buhlt.
Der Gipfel geht dem offiziellen Start der Generaldebatte der UN-Vollversammlung voraus, bei der von Dienstag an über eine Woche lang mehr als 140 Staats- und Regierungschefs sprechen werden.
Klimaaktivisten protestieren auf der Madison Avenue in New York gegen die Energiepolitik und die Nutzung fossiler Brennstoffe.
Proteste für mehr Klimaschutz
Kurz vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen forderten Zehntausende Menschen in New York eine schnelle Abkehr von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Erdgas.
Demonstranten riefen US-Präsident Joe Biden auf, mehr für den Klimaschutz zu tun und den Klimanotstand auszurufen. Sie wiesen auf die großen Brände, Überschwemmungen, Stürme und Hitzewellen der letzten Monate hin.
Bidens Regierung hat ein Klimagesetz durchgesetzt und arbeitet an der Umstellung des Landes auf Windkraft, Solarenergie und andere erneuerbare Energien. Aber sie erteilte auch Genehmigungen für neue Öl- und Gasbohrungen - was auch Anhänger verärgerte, die fordern, dass jedwede Förderung fossiler Brennstoffe blockiert wird.