US-Repräsentantenhaus McCarthy ist gewählt - und jetzt?
Die nächtliche Abstimmung hat die Wende gebracht: Mit Enthaltungen schaffte es McCarthy zum Sprecher. Der US-Präsident signalisierte Kooperationsbereitschaft. Was bleibt von diesen vier Chaos-Tagen im Repräsentantenhaus?
Kevin McCarthy hat es geschafft, wenn auch denkbar knapp. Im 15. Wahlgang, nach Mitternacht Ortszeit, war es soweit. Die letzten Abweichler vom rechten Rand der Partei stimmten zwar nicht für ihn, enthielten sich aber der Stimme. 216 Stimmen für McCarthy reichten. Jubel bei den Republikanern, Umarmungen, strahlende Gesichter, nachdem Protokollführerin Cheryl Johnson die Wahl McCarthys zum Sprecher des Repräsentantenhauses verkündet hatte.
"Er und sein Team verdienen Anerkennung"
Nach der 14. Abstimmungsrunde war es zuvor zu dramatischen Szenen gekommen. McCarthy fehlte eine einzige Stimme. Es kam zu hitzigen Debatten vor laufenden Kameras, an einer Stelle fast zu Handgreiflichkeiten. Doch am Ende Erleichterung: "Er und sein Team verdienen Anerkennung für das schnelle Aushandeln dieses Deals, wenn wir bedenken, wo wir noch 24 Stunden vorher standen", sagte Scott Jennings, langjähriger Berater der Republikaner, bei CNN zu McCarthys Verhandlungen mit den Parteirebellen vom rechten Rand.
US-Präsident Joe Biden signalisierte seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit. "Ich bin bereit, mit Republikanern zusammenzuarbeiten, wenn ich es kann", sagte der Demokrat. Es sei an der Zeit "verantwortungsvoll zu regieren und sicherzustellen, dass wir die Interessen amerikanischer Familien vorne anstellen", fügte er hinzu.
Eine Stimme soll für Misstrauensvotum reichen
Der Preis, den McCarthy mit den Zugeständnisse an den Rechtsaußen-Flügel seiner Fraktion zahlt, ist allerdings hoch. Künftig soll die Stimme eines einzigen Abgeordneten reichen, um ein Misstrauensvotum gegen den Sprecher einzuleiten. Damit schwächt McCarthy seine eigene Position.
Den Abweichlern wurden zudem offenbar Posten in wichtigen Parlamentsausschüssen zugesagt. Und es soll niedrigere Obergrenzen für staatliche Ausgaben geben. Dies könnte auch die Verteidigungsausgaben und damit mittelfristig die amerikanische Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland betreffen.
Vier Tage Chaos im Repräsentantenhaus
Was bleibt von diesen vier Chaos-Tagen im Repräsentantenhaus? "Das war nicht Chaos oder Versagen, sondern eine historische Übung in amerikanischer Demokratie", sagt Dan Bishop, Republikaner aus North Carolina, der anfangs zu den Abweichlern in der Partei zählte. "Diese vier Tage haben die Regierungsfähigkeit der Republikaner getestet. Sie sind gescheitert", meint Veronica Escobar, Demokratin aus Texas.
"Kurzfristig müssen wir mit weiterem Chaos rechnen", sagte der Historiker John Farrell im Radiosender NPR auf die Frage, was der Abstimmungsmarathon für die künftige Parlamentsarbeit bedeutet. "Aber setzen wir es in Perspektive: Wir haben in den USA gerade erst einen Präsidenten überstanden, gegen den zwei Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurden, Donald Trump. Auch davon haben wir uns erholt und es geht weiter."
Politik sei immer ein Spektakel gewesen. "Speziell in diesem Land war Politik aufgrund der Weisheit der Gründungsväter immer eine Art Schlammschlacht, aus der am Ende niemand mit einem klaren Machtvorsprung hervorgeht."