Amerikanische Wähler in Chicago
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US-Wahl Wer den Kampf ums Weiße Haus entscheidet

Stand: 19.10.2020 12:00 Uhr

Das amerikanische Wahlsystem verleiht einzelnen Bevölkerungsteilen enormen Einfluss darauf, wer als nächstes ins Weiße Haus einzieht. Ein Überblick über die wichtigsten Wählergruppen.

Von Julian Heißler, ARD-aktuell

Der wichtigste Grundsatz einer freien Wahl - eine Person, eine Stimme - gilt natürlich auch in der ältesten modernen Demokratie. In den USA zählt der Wahlzettel des Präsidenten genauso viel wie der eines frisch eingebürgerten Zuwanderers, oder der des Milliardärs wie der eines Arbeitslosen. So zumindest die Theorie.

In der Praxis haben bei Präsidentschaftswahlen einige Wählergruppen jedoch trotzdem einen besonderen Einfluss auf das Ergebnis. Da das Staatsoberhaupt nicht direkt gewählt, sondern über das "Electoral College" - das Wahlleutekollegium - bestimmt wird, können demografische oder politische Verschiebungen in einzelnen Bundesstaaten einen übermäßigen Effekt auf den Ausgang der Abstimmung haben. Ein Überblick über die Wählergruppen, die für das Wahlergebnis am 3. November entscheidend sind.

Wählerinnen und Wähler in den Vorstädten

Die sogenannten Suburbs waren über Jahrzehnte fest in der Hand der Republikaner. Entlang der sauberen Straßen mit freistehenden Einfamilienhäusern, gepflegten Gärten und Doppelgaragen kamen die zentralen Botschaften der konservativen Partei gut an: Niedrige Steuern, hartes Durchgreifen gegen Kriminalität, begrenzte staatliche Ausgaben. Selbst ein beliebter Demokrat wie Barack Obama konnte die Vorstädte nicht für seine Partei gewinnen. Vor vier Jahren holte Trump sie knapp vor Clinton.

Doch diese Vorherrschaft könnte an ihr Ende kommen. Bereits die Zwischenwahlen 2018 haben gezeigt, dass die Demokraten in Suburbia mittlerweile konkurrenzfähig sind. Vor zwei Jahren verloren die Republikaner 37 Wahlbezirke in den Vorstädten - und damit die Kontrolle über das Repräsentantenhaus. Aktuelle Umfragen sehen Trumps Herausforderer Joe Biden in den Vorstädten zudem deutlich vorn. Bleibt es dabei, könnten ehemalige rote Hochburgen wie Arizona, Georgia oder sogar Texas an die Demokraten fallen. Denn was ihre politischen Ansichten angeht, unterscheiden sich die Vorstadtbewohner von Phoenix, Atlanta und Houston nicht sonderlich von denen traditionell demokratischer Zentren wie Boston, Baltimore oder Chicago.

Es sind vor allem die Frauen, die diese politische Neuausrichtung vorantreiben. Während sich die männliche Anhängerschaft von Trump und Biden in den Vorstädten in etwa die Waage hält, ist die Ablehnung des Präsidenten unter Wählerinnen überwältigend. Auch sind die Suburbs in den vergangenen Jahren deutlich diverser geworden. Das Bild der "weißen Vorstadt", das auch Präsident Trump im Wahlkampf mehrfach bemühte, entspricht heute nicht mehr der Realität. Damit dürfte es den Republikanern im November schwerfallen, ihre langjährige Bastion erneut zu verteidigen.

Weiße Wählerinnen und Wähler in ländlichen Gebieten

Keine andere Bevölkerungsschicht war für Trumps überraschenden Wahlsieg 2016 wohl so wichtig wie diese. Zwar geht der Anteil weißer Wählerinnen und Wähler an der Gesamtbevölkerung seit Jahren zurück, doch durch das Wahlsystem sind sie im Wahlleutekolleg nach wie vor überrepräsentiert, zumal sie in wichtigen Swing States wie Pennsylvania, Wisconsin und Michigan nach wie vor die übergroße Mehrheit der Wahlberechtigten stellen.

Eine Trump-Unterstützerin hat nahe Johnstown eine riesige Figur des Präsidenten aufgestellt.

Heimspiel für Trump: In den ländlichen Regionen der USA, hier in Pennsylvania, liegt er weit vorne.

Trump schaffte es vor vier Jahren, diese Staaten das erste Mal seit Jahrzehnten für die Republikaner zu gewinnen, indem er vor allem weiße Wählerinnen und Wähler in ländlichen Regionen von sich überzeugte. Er holte dort fast zwei Drittel der Stimmen. Das reichte für knappe Siege in den strategisch wichtigen Bundesstaaten, da es seiner Gegnerin Hillary Clinton gleichzeitig nicht gelang, in den Städten ausreichende Unterstützung zu mobilisieren.

Auch heute liegt Trump in den ländlichen Regionen weiter deutlich vor seinem Herausforderer. Einige Umfragen deuten jedoch an, dass sein Vorsprung ein Stück weit gesunken sein könnte. Will der Präsident eine zweite Amtszeit gewinnen, muss er hier wieder stark abschneiden. Für Biden könnte es reichen, weniger hoch zu verlieren als Clinton.

Senioren

Auch diese Wählerschicht konnte Trump 2016 für sich gewinnen. Senioren gehörten in den vergangenen Präsidentschaftswahlen zu den verlässlichsten Wählergruppen der Republikaner. Seit 2004 hat kein Demokrat sie mehr gewonnen - ein Risiko für die Partei, da diese Bevölkerungsgruppe rapide wächst. Täglich feiern rund 10.000 Amerikanerinnen und Amerikaner ihren 65. Geburtstag. Vor zehn Jahren betrug ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung noch rund 13 Prozent. Heute sind es schon fast 17 Prozent.

Amerikanische Seniorin im Wahlkampf

Ältere Wählerinnen und Wähler tendieren derzeit zu den Biden.

Für die Wahl ist diese Entwicklung wichtig, da auch die älteren Wählerinnen und Wähler nicht gleichmäßig über die Vereinigten Staaten verteilt sind. In entscheidenden Swing States ist ihr Anteil bereits heute höher als im nationalen Durchschnitt. Allein in Florida liegt er bei rund 21 Prozent. Auch in Arizona und Pennsylvania leben prozentual mehr Senioren. Da die Über-65-Jährigen zudem häufiger zur Wahl gehen als jüngere Wähler, sind sie ein besonders begehrter Wählerblock.

Für Trump ist es deshalb eine besorgniserregende Entwicklung, dass auch Senioren sich zunehmend von ihm abzuwenden scheinen. Aktuelle Umfragen sehen Biden in dieser Wählerschicht stabil in Führung - Meinungsforschern zufolge eine Reaktion auf das als schlecht wahrgenommene Management der Corona-Krise und die Unsicherheit über die Zukunft des Gesundheitsversorgungssystems und des Arbeitsmarkts.

Schwarze Wählerinnen und Wähler

Für die Demokraten gibt es keine verlässlichere Wählergruppe. Laut aktuellen Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Pew identifizieren sich 83 Prozent der schwarzen registrierten Wählerinnen und Wähler mit der Partei. Hillary Clinton holte vor vier Jahren stolze 89 Prozent dieser Bevölkerungsschicht, Trump gerade einmal acht.

Dass er es dennoch ins Weiße Haus schaffte, hing jedoch auch damit zusammen, dass die Wahlbeteiligung unter Schwarzen im Vergleich zu 2012 deutlich zurückgegangen war. Vor allem in den entscheidenden Staaten wie Michigan, Pennsylvania und Wisconsin fehlten Clinton Stimmen schwarzer Wählerinnen und Wähler in Städten wie Detroit, Philadelphia und Milwaukee, um den Anstieg weißer Wählerinnen und Wähler auf dem Land auszugleichen.

Auch in diesem Jahr wird es deshalb vor allem um die Frage der Wahlbeteiligung gehen. Umfragen zufolge hat Trump in den vergangenen vier Jahren unter Schwarzen keine Unterstützung hinzugewinnen können. Sollten wieder mehr Wählerinnen und Wähler aus dieser Gruppe an die Urnen streben, könnte es für den Präsidenten deshalb eng werden. Zwar beträgt ihr Anteil an der landesweiten Wahlbevölkerung nur etwa 13 Prozent, in knappen Bundesstaaten können ihre Stimmen jedoch den Ausschlag geben. Hinzu kommen Südstaaten wie Georgia, in denen sie mittlerweile über 30 Prozent der potenziellen Wählerinnen und Wähler stellen - und die deshalb plötzlich als Swing States gehandelt werden.

Latinos

Eigentlich ist der Oberbegriff Latinos kaum geeignet, um die Vielschichtigkeit dieser Wählergruppe zu erfassen. Rund 60 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner identifizieren sich als Hispanics. Die Gruppe umfasst frisch eingebürgerte Zuwandererinnen und Zuwanderer aus höchst unterschiedlichen Herkunftsstaaten und Wählerinnen und Wähler, deren Familien teils seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten in den USA leben. Da ist es kein Wunder, dass diese Bevölkerungsschicht deutlich weniger kohärent ist, als andere Minderheiten.

Joe Biden wirbt um Unterstützung von Latinos

Insgesamt führt Biden unter Latinos. Doch die regionalen Unterschiede sind groß.

Grob lassen sich dennoch einige Trends ableiten. Die deutliche Mehrheit der Lations unterstützt Umfragen zufolge Biden. Das ist nicht weiter überraschend, schließlich konnten die Demokraten diese Wählerschicht in jeder Präsidentschaftswahl der vergangenen 40 Jahre gewinnen. Allerdings ist ihr Vorsprung in der Regel deutlich geringer, als etwa unter Schwarzen oder Amerikanerinnen und Amerikanern mit asiatischen Wurzeln. George W. Bush gewann 2004 immerhin 40 Prozent der Latinos. Trump steht in Umfragen derzeit bei rund 30 Prozent.

Auch hier spielen regionale Unterschiede jedoch eine große Rolle. Im wichtigen Swing State Florida beispielsweise liegen die Kandidaten unter Latinos in etwa gleich auf. Ein Grund dafür ist der große Anteil von Wählerinnen und Wählern mit kubanischen Wurzeln im Sunshine State, die traditionell eher zu den Republikanern neigen und die Trumps harte Linie gegen die sozialistische Regierung der sozialistischen Insel goutieren.

In anderen Staaten, vor allem entlang der Grenze zu Mexiko, sieht das anders aus. Dass New Mexico mittlerweile als sichere Bastion der Demokraten gilt und dass auch Arizona und gegebenenfalls Texas mehr und mehr zu der Partei tendieren, hängt zum großen Teil mit dem steigenden Bevölkerungsanteil der Latinos zusammen. Landesweit machen sie zwar nur rund 13 Prozent der Wählerinnen und Wähler aus - auch weil sie in Sachen Wahlbeteiligung noch deutlich hinter Schwarzen und weißen Staatsbürgern liegen - in den Grenzstaaten liegt ihr Anteil jedoch bereits heute deutlich höher. Sämtliche Prognosen gehen davon aus, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Der Einfluss der Lations wird tendenziell also nur weiterwachsen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 14. Oktober 2020 um 05:17 Uhr.