Interview zum Anschlag "Überall lagen Nägel und Bolzen"
Vieles deutet darauf hin, dass der Attentäter von Manchester eine Nagelbombe zündete, berichtet Jens-Peter Marquardt - ein besonders verheerender Sprengsatz. Erneut wird Großbritannien vom Terror getroffen - nur zwei Monate nach dem Attentat von London.
NDR Info: Die Polizei in Manchester spricht offiziell von einem gezielten Anschlag, von einer terroristischen Tat. Welche Hinweise gibt es dafür am Tatort?
Jens-Peter Marquardt: So wie der Tatort aussah, kann das eigentlich nichts anderes als ein Terroranschlag gewesen sein. Augenzeugen berichten von furchtbaren Verwüstungen im Eingangsbereich der Manchester Arena. Sie sagen, dass auf dem Boden eine Menge Nägel und Bolzen lagen. Die Sanitäter sprechen davon, dass viele Verletzte Schrapnell-ähnliche Wunden haben. Das würde darauf hindeuten, dass es wohl eine Nagelbombe war. Das ist eine besonders verheerende Bombe, die eben nicht nur durch die Explosion und den Druck tötet, sondern auch dadurch, dass Nägel und Bolzen herumfliegen. All das deutet auf einen Terroranschlag hin.
Jens-Peter Marquardt ist seit 2013 Leiter des ARD-Hörfunkstudios in London. Zuvor leitete er die Programmgruppe Politik und Aktuelles bei NDR Info. Marquardt studierte Volkswirtschaft und ist Absolvent der Deutschen Journalistenschule in München.
NDR Info: Wer könnte denn hinter dieser Tat stecken?
Marquardt: Darüber gibt es überhaupt noch keine Erkenntnisse. Im Netz kursieren Beifallsbekundungen aus der islamistischen Szene. Das heißt aber noch nicht, dass wirklich der "Islamische Staat" oder ähnliche Organisationen dahinter stecken. Da muss man im Augenblick noch vorsichtig sein. Es hatte ja bereits im März in London einen Terroranschlag gegeben, wobei dieser wohl keinen islamistischen Hintergrund hatte, sondern von einem wohl verwirrten Täter verübt wurde.
Es ist also nicht der erste Anschlag, und in Großbritannien gilt ohnehin schon die zweithöchste Terroralarmstufe. Das bedeutet, dass hier Anschläge laut Behörden sehr, sehr wahrscheinlich sind. Im Grunde genommen ist es aber eine Bedrohungslage ähnlich wie in Deutschland. Man weiß, dass man im Ziel von Terroristen steht, aber man hat keine Erkenntnisse über die Planungen von Terroristen. Das macht die Lage noch gefährlicher und noch unübersichtlicher.
Keine hundertprozentige Sicherheit
NDR Info: Premierministerin Theresa May hat bereits eine Sondersitzung des Sicherheitsrates einberufen und auch den Wahlkampf auf Eis gelegt. Wie wird die Regierung jetzt auf diesen mutmaßlichen Terroranschlag reagieren, wie kann sie der Bevölkerung Sicherheit vermitteln?
Marquardt: Ich denke, dass die Sicherheitsvorkehrungen bei solchen Großveranstaltungen noch weiter verschärft werden. Es gibt schon jetzt Taschenkontrollen und ähnliches. Das Sicherheitskabinett wird darüber beraten, was noch getan werden kann, um noch mehr Sicherheit bei solchen Großveranstaltungen zu schaffen. Aber auch hier wird am Ende sicherlich die Antwort stehen, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Und wenn es sich tatsächlich um einen Selbstmordattentäter handeln sollte und er gar nicht in der Halle war, dann sind Kontrollen natürlich sehr schwer, und es ist noch schwieriger solche Anschläge zu verhindern.
Das Interview führte Liane Kossmann, NDR Info