Tag der Muttersprache Chinas Dialekte verschwinden
300 Sprachen und Dialekte gibt es in China, doch viele sind vom Aussterben bedroht - auch, weil die Staatsführung will, dass alle Menschen Hochchinesisch sprechen. Ein Bericht zum Internationalen Tag der Muttersprache.
Immer weniger junge Menschen sprechen Shanghai Hua, den Dialekt von Shanghai. Zhang Chunling, die in der Stadt lebt, sagt, sie finde das sehr schade: "Vielleicht glauben Sie es nicht, aber ich fühle mich, als wäre mein Herz gebrochen. Es ist, als wäre mir etwas weggenommen worden. Was kann ich für Shanghai tun? Das Einzige, was ich machen kann, ist, den Leuten Shanghai-Dialekt beizubringen."
Seit einigen Jahren leitet die 45-Jährige zusammen mit ihrem Mann ein Tonstudio mit integrierter Sprachschule für Interessierte. Sie unterrichten und vertonen Filme auf Shanghai-Dialekt, damit mehr Menschen ihn hören und vielleicht auch lernen wollen.
Die KP will, dass alle die gleiche Sprache sprechen
In vielen Regionen Chinas können immer weniger Kinder die Sprache oder den Dialekt ihrer Eltern oder Großeltern richtig sprechen. Sie lernen in der Schule Hochchinesisch, weil die Kommunistische Partei (KP) will, dass alle Menschen in China die gleiche Sprache sprechen.
Dabei gibt es in China eine große Vielfalt an Sprachen: etwa 300 unterschiedliche Sprachen und Dialekte, die teils von Dutzenden Millionen Menschen gesprochen werden. Manch andere sind hingegen vom Aussterben bedroht. Viele der Sprachen und Dialekte sind Formen des Chinesischen und mit dem Hochchinesischen verwandt, auch der Shanghai-Dialekt. Die Vielfalt an Dialekten und Sprachen in China wird allerdings immer mehr vom Hochchinesischen verdrängt.
Früher sei das anders gewesen, sagt Zhang Chunling. . "Da kamen die Lehrer noch aus Shanghai selbst. Sie haben während des Unterrichts das hochchinesische Mandarin gesprochen und ansonsten Shanghai Hua." Aber die Kinder von heute dürften in der Schule keinen Dialekt sprechen, nur Hochchinesisch.
Kritiker sehen Versuch der Zwangsassimilierung
Es gibt aber auch Sprachen in China, die ganz andere Wurzeln als das Hochchinesisch haben. Zum Beispiel Uigurisch, eine Turksprache, die vor allem im nordwestchinesischen Landesteil Xinjiang gesprochen wird. Und Mongolisch, das im chinesischen Landesteil Innere Mongolei gesprochen wird. Dort gab es wegen der chinesischen Bildungspolitik im Jahr 2020 Proteste. Die Menschen befürchteten, dass ihre Sprache verschwindet, wenn die Kinder sehr früh schon nur in Mandarin unterrichtet werden.
In den Minderheitenregionen Tibet und Xinjiang werden nach Angaben von Menschenrechtlern Kinder teilweise im Kindergartenalter von ihren Eltern getrennt und auf staatliche Internate geschickt, in denen sie Hochchinesisch lernen sollen. Kritiker sehen darin einen Versuch der Zwangsassimilierung. Das heißt, dass die Minderheiten sich anpassen müssen an das, was mehrheitlich vorgegeben ist.
Repressive Bildungspolitik
In Tibet und Xinjiang geht die Bildungspolitik zudem mit anderen repressiven Maßnahmen einher, die die Kultur, Religion und Identität der Minderheiten der buddhistischen Tibeter und muslimischen Uiguren unterdrücken. In Xinjiang waren Schätzungen zufolge zeitweise mehr als eine Million Menschen in Umerziehungslagern eingesperrt.
Im ostchinesischen Shanghai sind die Gegebenheiten anders. Dort gehören schätzungsweise mehr als 90 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner der ethnischen Mehrheits-Bevölkerungsgruppe der Han-Chinesen an. Dass der Shanghai-Dialekt verschwindet, sei dort auch ein gesellschaftliches Phänomen, meint Zhang Chunling: "Die Kinder können in der Schule keinen Shanghai Dialekt sprechen. Sie können es nur zu Hause lernen. Aber wenn die Eltern es nicht sprechen, dann lernen sie es auch nicht."