Geiselangehörige treffen Netanyahu "Die Nerven liegen bei allen blank"
Angehörige der 138 noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln haben sich mit Premier Netanyahu getroffen. Dabei kochten die Emotionen hoch - die Wut auf ihn und seine Regierung wächst.
Die Frau mit den langen schwarzen Haaren spricht zunächst ganz leise und ruhig. Sie liest die Namen von drei jungen Männern vor - von Söhnen des israelischen Premiers Netanyahu, des Verteidigungsministers Galant und des Kabinettsministers Gantz.
Dann schaut Shelly Shem Tov, deren 21 Jahre alter Sohn Omer nach dem Terrorangriff der Hamas Geisel im Gazastreifen ist, auf, und es bricht aus ihr heraus: "Schaut uns in die Augen. Sie sind auch eure Kinder, eure Familien. Wo seid ihr? Wo seid ihr?"
Noch immer 138 Geiseln im Gazastreifen
138 Menschen sind nach jüngsten aktualisierten Angaben der israelischen Armee immer noch Geiseln im Gazastreifen. Ihre Angehörigen hatten gehofft - auf die eine große Vereinbarung mit der Hamas zur Freilassung aller Geiseln, die ihnen auch ihre Liebsten nach Hause bringen würde.
Doch stattdessen zerbrach die Feuerpause, die Freilassungen endeten, und die Verzweiflung der Familien wuchs. Von der Regierung fühlten sie sich in den vergangenen Tagen nicht gehört, nicht beachtet. Sie wurden laut, lauter, suchten die Öffentlichkeit, verlangten ein Treffen mit dem Kriegskabinett.
Netanyahu: Derzeit keine Chance auf Freilassung
Als es nun dazu kam, waren auch mehrere freigelassene Geiseln dabei, unter anderem die 35 Jahre alte Deutsch-Israelin Yarden Roman-Gat, deren Schwägerin weiterhin im Gazastreifen festgehalten wird. Einige Freigelassene berichteten von der Geiselhaft.
Er habe auch von Fällen von brutaler Vergewaltigung und sexueller Misshandlung gehört, sagte Netanyahu nach dem Treffen. "Ich habe herzzerreißende Geschichten gehört", so der Premier. "Ich hörte vom Durst, vom Hunger, von psychischer und physischer Misshandlung."
Nach Schilderungen von Teilnehmern in israelischen Medien las Netanyahu von einem Blatt ab, als er den Angehörigen der verbliebenen Geiseln erklärte, dass gegenwärtig keine Chance auf eine Freilassung bestehe.
"Sie versprachen, dass so etwas nie geschehen wird"
Viele Teilnehmer verließen daraufhin den Saal, andere schrien. "Die Nerven bei allen liegen blank", sagte Yoav Engel, dessen Sohn Ophir in Geiselhaft war und freigelassen wurde, nach dem Treffen im israelischen Sender Kanal 13.
"Wir wollen, dass sie uns alle, bis zur letzten Geisel, zurückbringen", sagte Engel. "Sie waren diejenigen, die versprachen, dass so etwas nie geschehen wird - und es ist in ihrer Schicht passiert. Deswegen sind sie diejenigen, die den Preis kennen und bereit sein sollten, ihn zu zahlen."
Netanyahus Aussagen reichen Angehörigen nicht
Netanyahu habe sich in dem Treffen mit keiner ihrer Forderungen wirklich auseinandergesetzt, zitierten israelische Medien einige der Geiselangehörigen.
Netanyahu selbst erklärte im Anschluss: "Ich teile das Leid und die tiefe Sorge der Familien, deren Nächsten noch immer im Gazastreifen festgehalten werden. Ich verstehe die Ungewissheit. Ich sagte den Familien, dass wir keine Mühen sparen, um ihre Liebsten zurückzubringen."
Doch diese Aussage, das machte der Verlauf des Treffens, das im Streit endete, deutlich, reicht vielen der Angehörigen nicht. Sie werden weiter Druck machen.