Indonesien Eine Insel kämpft gegen die Investoren
Auf der indonesischen Insel Rempang will die Regierung zusammen mit chinesischen Investoren einen Industriepark bauen. Etwa 7.500 Menschen sollen deswegen umgesiedelt werden. Ihnen droht der Verlust ihrer Heimat.
Für Dorfbewohner, die es eigentlich gar nicht geben soll, sind diese Frauen ganz schön laut - und entschieden: "Was auch immer geschieht, ob uns die Regierung Geld bietet oder Reichtümer, wir wollen nicht weichen, denn dieses Land gehörte unseren Urururahnen."
Ramna, Wati, Miskia, Linda und Dea sind wütend. Die Frauen stehen an einem Protestposten auf Rempang. Ein staubiger Feldweg aus roter Erde und voller Schlaglöcher führt hierher, zum Dorf Pasir Panjang. Wenig ist hier zu sehen: viel Grün, einige kleinere Gärten und Plantagen, hinter dem Hügel, einige Kurven weiter das Meer. Doch wenn es nach der Regierung Indonesiens geht, dann soll auf der kleinen Insel bald ein Industriepark entstehen.
"Aber das haben wir nur zufällig erfahren", sagt Iskandar, einer der Männer am Protestposten. "Die Regierung hat uns nicht erklärt, was das für ein Projekt ist, was es für uns und die Umwelt bedeutet. Also weigern wir uns."
Guter Quarzsand und Nähe zu Singapur
Das Projekt ist die sogenannte Rempang Eco-City, vor allem eine Glasfabrik, die gemeinsam von einer indonesischen Firma, der örtlichen Entwicklungsbehörde und Xinyi Glass aus China gebaut werden soll. Xinyi produziert Glas- und Solarpaneele.
Und auf und um Rempang gibt es gute Quartzsande, die für die Glasherstellung wichtig sind. Dazu kommt die Nähe zum rund 100 Kilometer nordwestlich gelegenen Handelsknotenpunkt Singapur. Beides macht Rempang zu einem attraktiven Standort für ein solches Vorhaben. Wenn da nur nicht Menschen im Weg wären.
"Anfangs hat die Regierung so getan, als wäre die Insel unbewohnt."
Laut Investor ist die Insel unbewohnt
"Anfangs hat die Regierung so getan, als wäre die Insel unbewohnt, erklärt Demonstrant Rio. Auch Tomy Winata, der indonesische Investor, habe das gesagt: Es lebe niemand auf Rempang. Angeblich hätten bis Beginn des 21. Jahrhunderts - damals waren die ersten Pläne für eine wirtschaftliche Entwicklung entstanden - keine Menschen auf Rempang gelebt.
"Ich habe hier schon gelebt, als Indonesien noch gar nicht als unabhängiges Land existierte - die Regierung lügt!", sagt Großmutter Cuh. Sie lebt auch in Pasir Panjang, unten am Meer. Acht Kinder hat sie zur Welt gebracht, vier davon hier begraben, ihr Mann ist schon 1972 gestorben und hier begraben, ihre Mutter, die ebenfalls über 100 Jahre alt geworden ist, hat hier schon gelebt, 30 Enkel und 29 Urenkel wohnen ebenfalls auf Rempang.
Vom Alter gebeugt, fast blind, hat Großmutter Cuh doch eine klare Vision: "Alle Familienmitglieder sind hier begraben, alle sind hier alt geworden. Was auch immer passiert, ich will nicht weggehen."
Das kleine Dorf liegt direkt am Wasser, Kokosnüsse fallen auf den Strand, viele Bewohner leben in Häusern auf Stelzen direkt über dem Meer, es riecht nach Salz und Wärme, Fisch und Wald: "Früher war hier Dschungel, den haben wir gerodet, Bäume gefällt, dann Fisch gefangen, Krabben, Muscheln", sagt Cuh. "Das Land ist unser Leben, das Meer ist hier, wir können Fische fangen, hier ist die Familie zusammen, das ist so wichtig für mich - ich gehe nicht weg."
Viele Bewohner Rempangs leben vom Fischfang. Die indonesische Regierung will zusammen mit einer chinesischen Firma auf der Insel einen Industriepark bauen.
China investiert viel in Indonesien
Indonesiens Präsident Joko Widodo war im Juli nach China gereist und kam mit großen Investitionsversprechen zurück, unter anderem eben für die Rempang Eco-City.
China ist der größte Investor in Indonesien. Bahnlinien für Hochgeschwindigkeitszüge, Staudämme, Goldschmelzen: Das Land ist beliebter Partner, besonders dort, wo es um Rohstoffe oder Infrastruktur geht. Wichtig ist für Jokowi, so wird der Präsident auch genannt, dass China sich auch am Bau der neuen Hauptstadt auf Borneo beteiligt, ein weiteres Milliardenprojekt.
Proteste gegen chinesische Projekte sind der indonesischen Regierung daher wenig willkommen - doch weder Großmutter Cuh noch die anderen Frauen von Pasir Pajang wollen weichen. "Wir sind zu allem bereit, wir werden weiter demonstrieren, wir setzen uns wieder auf die Straße und lassen keinen durch, und wenn sie mit Traktoren und Panzern kommen. Wir sind bereit zu sterben, um unser Land zu schützen."
Kultur der Malaien auf Rempang ist bedroht
Auch Riska, eine Enkelin von Großmutter Cuh, will nicht weg: "Das ist das Land meiner Urahnen", sagt sie. "Wenn wir wegmüssen, dann wird auch die Kultur der Malaien hier verloren sein." Und die sei reich an eigenen Bräuchen und Glaubensformen. "Wir wollen sicherstellen, dass die Malaien hier nicht einfach verschwinden."
Malaien, das sind Angehörige einer ethnischen Gruppe, die in Malaysia und auf den indonesischen Inseln Sumatra und Borneo sowie vielen kleineren Inseln leben. Ursprünglich sind Malaien ein seefahrendes Handelsvolk, darum die Ansiedlung an den Küsten; die meisten sind Muslime, aber manchmal mit eigenen Ausprägungen und Bräuchen. Wie auf Rempang.
Gräber als Zeugen der Vergangenheit
Effendi, der Vater von Riska, kniet vor einer riesigen Würgefeige in einem Hain am Meer. Teile des Baumes sind mit gelben Tüchern geschmückt, er zündet Räucherstäbchen an und opfert den Ahnen auch einige Zigaretten, die er in den Wurzeln des Baumes drapiert.
Er deutet auf ein kleines Grabmal, ebenfalls mit einem gelben Tuch verziert, darunter kann man die Umrisse einer Zahl erkennen: "1825" soll da stehen. Der Beweis, dass die Malaien schon immer hier gelebt haben. In diesem Hain sind viele Gräber, dahinter ein anderer heiliger Baum - und das Meer.
Bei einer Blockadeaktion auf Rempang im September setzte die indonesische Polizei Tränengas ein und nahm 43 Menschen fest.
Tränengas gegen Demonstranten
Riska erzählt, wie sie am 7. September, als die Regierungsvertreter sich näherten, die Brücke blockierten, die Rempang mit der Nachbarinsel verbindet. "Wir haben eine Barrikade aufgebaut, um uns vor den Regierungsvertretern zu schützen. Die Polizei hat Tränengas eingesetzt, auch gegen Kinder, und einige von uns mit Gummigeschossen am Kopf getroffen."
43 Menschen wurden festgenommen, viele sitzen immer noch im Gefängnis. Doch die Bewohner Rempangs lassen sich nicht einschüchtern, sie kündigen weitere Proteste an.
70 Prozent sind gegen eine Umsiedelung
Rio gehört auch zu den Demonstranten, er organisiert eine Art Volkszählung, zusammen mit der Umweltschutzorganisation Walhi. Sie zählen die Bewohner der Dörfer - als Beweis ihrer Existenz, sammeln ihre Stimmen und auch, ob sie für oder gegen die Umsiedlung sind: "Die hiesigen ursprünglichen Bewohner sind zu 70 Prozent gegen eine Umsiedlung. Aber die Regierung erzählt den Medien immer, dass 70 Prozent schon zugestimmt hätten."
Immer mehr hören von der Geschichte Rempangs und unterstützen den Kampf. Denn wie Großmutter Cuh sagt: "Ich liebe dieses Land - was, wenn dein Land einfach weggenommen würde?"