Philippinen Scheidung ist keine Option
Heirat ist leicht, Scheidung dagegen unmöglich. Die Philippinen sind neben dem Vatikan der einzige Staat, in dem eine Ehescheidung nicht erlaubt wird. Ein Reformversuch soll das ändern, hat aber kaum Erfolgsaussichten.
April Tadios aus Manila wünscht sich mit 41 Jahren nichts sehnlicher, als endlich geschieden zu werden. Rechtlich ist das in ihrem Land, den Philippinen, nicht erlaubt. Von ihrem Ehemann lebt sie seit acht Jahren getrennt.
Für ihre 15-jährige Tochter muss sie allein sorgen. Denn keine Scheidung, das heißt auch: kein Unterhalt. "Ich habe Angst, dass ich meiner Tochter nicht alles geben kann, was sie braucht", erzählt Tadios unter Tränen. "Wenn sie mich um etwas bittet, dann sage ich: 'Hab noch etwas Geduld, wir können uns das jetzt nicht leisten, wir haben gerade kein Geld.'"
"Wir müssen nicht wie die anderen Länder sein"
Was Gott zusammenfügt, darf der Mensch nicht trennen: Dieser Satz aus dem Neuen Testament gilt auf den Philippinen auch vor dem Gesetz. Für Pater Jerome Secillano von der katholischen Bischofskonferenz der Philippinen ist die Scheidung nicht das geeignete Mittel, um Beziehungsprobleme zu lösen:
"Wir müssen nicht wie die anderen Länder sein. Wir sollten sogar stolz darauf sein, dass wir daran festhalten. Dass wir die Ehe als eine Institution beschützen. Also nein zur Scheidung."
Das konservative Verständnis der Ehe als eines ewigen Bundes ist weiterhin vorherrschend auf den Philippinen.
Traditionelle Moralvorstellungen vor allem außerhalb der Städte
Der Einfluss der katholischen Lehre ist auf den Philippinen groß. 80 Prozent der Einwohner sind römisch-katholischen Glaubens, die weit überwiegende Mehrheit von ihnen praktiziert ihn auch. Damit ist das konservative Verständnis der Ehe als ein ewiger Bund weiterhin vorherrschend in dem Land, das geprägt ist von der Zeit als Kolonie Spaniens und seiner katholischen Könige.
Zwar zeigen Umfragen, dass die junge Generation das Thema zusehends anders betrachtet. Aber vor allem außerhalb der großen Städte dominieren weiter die traditionellen Moralvorstellungen - auch wenn sie häufig nicht mit der Realität übereinstimmen, denn Trennungen gibt es auch auf den Philippinen, nur eben nicht vor dem Gesetz.
Annulierung möglich, aber teuer
Als Ausweg aus der einmal geschlossenen Ehe akzeptieren Kirche und Staat nur die Annullierung. Die Ehe hat dann auf dem Papier nie existiert - ein langwieriger Prozess, den nur Wohlhabende bezahlen können.
Kurios und tragisch zugleich: Auf den Philippinen existieren unterschiedliche Regelungen. Der Minderheit der Muslime ist die Scheidung gestattet, da sie mit ihrem Glauben vereinbar ist. Die Katholiken hingegen haben diese Möglichkeit nicht.
Die Begeisterung für die Eheschließung scheint dennoch bei den meisten ungebrochen. Nach dem Ende des coronabedingten Lockdowns fanden im Frühjahr sogar Massenhochzeiten statt. Der Grund dafür liegt nicht nur in der Tradition. Für junge Menschen steht die Ehe für den Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Paare werden meist erst mit der Heirat gesellschaftlich akzeptiert.
Massenhochzeiten sind auf den Philippinen eine gängige Form, die Ehe zu schließen - nach dem Ende von Corona lebt diese Tradition wieder auf.
Änderungsversuche liefen ins Leere
Viele Versuche zur Einführung eines modernen Scheidungsrechts sind gescheitert. Die Regierenden sahen lange keinen Handlungsbedarf, wohl auch, um es sich mit den mächtigen Gegnern der Scheidung nicht zu verscherzen.
2018 stimmte das Repräsentantenhaus der Philippinen schon einmal einem Gesetzentwurf zu. Doch im Senat, dem Oberhaus des philippinischen Kongresses, ging es nicht voran. Der Versuch lief ins Leere.
Vor allem Frauen, die misshandelt oder verlassen werden, bräuchten Hilfe, erklären jene, die das Scheidungsrecht auf den Philippinen ändern wollen.
Vor allem Frauen befänden sich oft in einer Notlage
Der erfahrene liberale Abgeordnete Edcel Lagman arbeitet unermüdlich an einer Neuauflage. Für seinen neuen Gesetzentwurf hofft er auf die Einsicht der beiden Parlamentskammern und des Präsidenten: "Viele müssen schreckliche Qualen erleiden. Vor allem Frauen, die misshandelt oder verlassen werden. Wir müssen denen helfen, die sich in einer Notlage befinden."
Lagman zeigt sich optimistisch, dass die Reform noch während der laufenden Legislaturperiode gelingt. Als der zuständige Ausschuss des Repräsentantenhauses im Frühjahr grünes Licht für die historische Reform gab, jubelte der Liberale: "Die Philippinen stehen kurz davor, zu den anderen Nationen aufzuschließen."
Doch ohne die Zustimmung des Oberhauses wird sich nichts ändern. Wie sich die mehrheitlich regierungsnahen Senatoren positionieren werden, ist weiterhin unklar.
Die getrennt lebende April Tadios muss deshalb weiter warten. Der glücklichste Tag ihres Lebens - es wäre nicht die Trauung, sondern die Scheidung.