Scholz in Bengaluru Weniger Hürden für indische Experten
Kanzler Scholz will die Zuwanderung indischer IT-Fachkräfte deutlich ausbauen. Damit soll der deutsche Fachkräftemangel bekämpft und die Beziehung zu Indien gestärkt werden - auch, um sich von China unabhängiger zu machen.
Um dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzutreten, will Bundeskanzler Olaf Scholz die Hürden für eine Zuwanderung von Fachkräften aus Indien senken. Vor allem Menschen aus der IT-Branche solle es erleichtert werden, hierzulande zu arbeiten. "Es ist so, dass wir die Visa-Erteilung vereinfachen wollen", sagte Scholz bei einem Besuch in der südindischen Metropole Bengaluru, die als Silicon Valley Indiens gilt.
In diesem Jahr sollen laut Scholz dafür die Voraussetzungen geschaffen werden. Dies solle die Zuwanderung von Fachkräften "in großem Umfang" ermöglichen.
Zuwanderung ohne Job und Deutschkenntnisse
Den Plänen nach soll es beispielsweise für in Deutschland gesuchte Fachkräfte einfacher werden, mit ihren Familien ins Land zu kommen. Auch sollte es demnach zunächst ohne konkretes Jobangebot möglich sein. Dass Fachkräfte aus Indien häufiger Englisch als Deutsch sprechen und daher andere Standorte vorziehen könnten, sieht Scholz laut eigenen Worten nicht als Problem. "Klar ist, dass wer als IT-Fachkraft nach Deutschland kommt, sich erst locker mit all seinen Kolleginnen und Kollegen auf Englisch unterhalten kann, weil in Deutschland viele Englisch sprechen können", sagte er. Deutsch könne später gelernt werden.
Während in Deutschland Fachkräftemangel herrscht, fehlen in Indien Jobs für die junge Bevölkerung. Im vergangenen Jahr erteilte die deutsche Botschaft in Neu-Delhi nach eigenen Angaben rund 2500 bis 3000 Fachkräften ein Visum, darunter vor allem IT-Fachkräfte. "Ich bin ganz sicher, dass viele die Möglichkeiten nutzen werden und wollen, als Fachkräfte in Deutschland tätig zu sein. Wir brauchen das in allen Bereichen der Beschäftigung", sagte Scholz.
Auslagerung von Software-Entwicklung nach Indien "kein Problem"
Scholz besuchte den Standort des IT-Unternehmens SAP und traf Inderinnen und Inder, die bald einen Job in Deutschland beginnen werden. Indien sei eine Hightechnation, so der Kanzler. Dass viele deutsche Firmen ihre Softwareentwicklung auch nach Bengaluru verlagern, ist für Scholz laut seinen Worten kein Problem, sondern Teil der Arbeitsteilung.
Mehr Wirtschaft mit Indien, weniger Handel mit China
Scholz und der indische Ministerpräsident Narendra Modi hatten gestern den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen vereinbart. "Die Investitionen sollen ausgebaut, die Zahl der Beschäftigten soll massiv erhöht werden", hatte Scholz mit Blick auf die bisher 1800 deutschen Unternehmen in Indien gesagt. Modi und er setzten sich für ein EU-Indien-Freihandelsabkommen ein.
Damit will Deutschland sich auch unabhängiger von seinem größten Handelspartner China machen. Indien mit seinen knapp 1,4 Milliarden Einwohnern gilt seit langem als mögliche Alternative. Doch Protektionismus und Bürokratie machen seit Jahren Investitionen sehr schwierig, etwa für deutsche Autokonzerne.
Engere Zusammenarbeit bei Energie, IT, Forschung und Rüstung
Beide Länder wollen in den Bereichen Energie, IT-Entwicklung, bei der Forschung und Entwicklung enger zusammenarbeiten. Zudem geht es um eine engere Rüstungskooperation mit Indien. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, will Scholz auch ein milliardenschweres U-Boot-Geschäft voranbringen. Indien möchte demnach sechs konventionelle U-Boote im Wert von 4,9 Milliarden Euro kaufen. Im Gespräch sei die Rüstungsfirma ThyssenKrupp Marine Systems.
Auf die Frage, ob er mit Modi über das U-Boot-Projekt gesprochen habe, sagte Scholz: "Selbstverständlich haben wir auch konkrete Vorhaben beredet. Das sind Dinge, die hier zunächst einmal zwischen den Unternehmen und den Bestellern ausgehandelt werden müssen, aber natürlich müssen sie begleitet werden."
Indien mehr an den Westen binden
Mit seinem Besuch in Indien will Scholz aber nicht nur die Beziehungen zwischen beiden Ländern stärken. Die Hoffnung ist auch, dass Indien seine bislang neutrale Haltung zum russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verändert. Wegen wirtschaftlicher Abhängigkeiten hat das Land ihn bislang nicht verurteilt.
Ein Schritt in diese Richtung dürfte auch eine Teilnahme Indiens am nächsten G7-Gipfel in Japan sein. Scholz zeigte sich überzeugt, dass der Gastgeber Länder wie Indien einladen wird. Beim G7-Gipfel im vergangenen Jahr in Elmau hatte Scholz auch die Staats- und Regierungschefs Indiens, Südafrikas, Argentiniens und Senegals in die Beratungen eingebunden. Ziel ist es, Demokratien weltweit enger zusammenzubinden - gerade im Hinblick auf den russischen Angriffskrieg und der Konkurrenz mit China.