Afghanistan unter Taliban-Herrschaft "Für uns Mädchen sind alle Türen verschlossen"
Der Alltag in Afghanistan gilt wieder als sicherer. Die Menschenrechtslage hingegen hat sich laut Hilfsorganisationen seit der Machtübernahme der Taliban extrem verschlechtert - vor allem für Frauen und Mädchen.
Die 15-jährige Hira Masomi steht am Spülbecken in der Küche ihres Elternhauses in Kabul. Sie wäscht einen bunt bemalten Teller ab. Seit sie nicht mehr zur Schule gehen darf, ist das ihr Alltag: Haushalt.
"Früher, als ich zur Schule gegangen bin, hatte ich Klassenkameraden und Freunde. Jetzt habe ich nur noch Finsternis in meinem Leben", sagt sie. "Es geht mir nicht nur um mich, allen afghanischen Mädchen geht es so. Wenn ein Mädchen nicht gebildet ist, wie sie soll sie später mal ihre Kinder erziehen?", fragt Masomi. "Jetzt werden alle Mädchen Analphabetinnen sein, die keine Zukunft vor sich haben."
Seit die Taliban vor drei Jahren wieder an die Macht kamen, dürfen Mädchen in Afghanistan nur noch bis einschließlich der sechsten Klasse in die Schule. Ausbildung, Uni, eine Karriere bleiben ihnen verwehrt.
Alltag ohne Krieg
Im Interview mit dem ARD-Studio Südasien behauptet Taliban-Sprecher Molvi Hamdullah Fetrat hingegen, Frauen dürften schon vieles. Sie hätten Rechte. "Sie können Besitztümer erben, niemand kann sie zur Ehe zwingen, und Witwen können selbst entscheiden, ob sie wieder heiraten möchten."
Hilfsorganisationen wie Human Rights Watch warnen immer wieder, dass sich die Menschenrechtslage in Afghanistan vor allem für Frauen und Mädchen sowie für Angehörige von Minderheiten extrem verschlechtert hat.
Die allgemeine Sicherheitslage, auch auf den Straßen von Kabul, hat sich in den vergangenen drei Jahren dagegen verbessert. Viele Menschen sind unterwegs. Es ist ein Alltag ohne Krieg.
Ein Land vor enormen Herausforderungen
Für Ellinor Zeino, die bis vor drei Jahren das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kabul geleitet hat, steht Afghanistan jetzt vor enormen Herausforderungen.
"Die Taliban versuchen natürlich noch, international um Unterstützung und diplomatische Anerkennung zu werben", sagt Zeino. Aber sie müssten sich der Tatsache stellen, was passiert, wenn sie der jungen Bevölkerung keine Perspektiven bieten. "Und vor allem auch Bildung - worauf ja die Entwicklung eines Landes aufbaut." Gingen die Taliban dies nicht an, so Zeino, "werden sie auch in Zukunft einen Unmut der Bevölkerung haben, dem sie sich stellen müssen."
Auch dem Unmut von Mädchen wie Hira Masomi. Sie ist wütend und traurig zugleich. "Ich wünschte, ich wäre ein Junge - denn dann könnte ich studieren, zur Schule gehen und Universitäten besuchen. Aber für uns Mädchen sind alle Türen verschlossen."
Ja, manchmal wünschte sie, sie wäre ein Junge, so Masomi. "Dann gäbe es nicht so viele Einschränkungen und ich wäre frei. Jungen leben nicht in einem Käfig wie wir. Sie sind nicht zu Hause eingesperrt. Sie können überall hingehen, wo sie wollen, und sie können zur Schule gehen." Hira Masomis Traum war es mal, Ingenieurin zu werden. Sie träumt weiter.