Verschwörungstheorien in Pakistan "Osama war nie hier"
Verschwörungstheorien haben in Pakistan seit dem Tod des Al-Kaida-Anführers Bin Laden Hochkonjunktur. Dass die USA das Foto von dessen Leiche nicht veröffentlichen wollen, bestärkt Pakistaner in ihrer Überzeugung: "Osama war nie hier."
Von Kai Küstner, ARD-Hörfunkstudio Neu-Delhi
Viele Menschen in der seit Montag weltbekannten Stadt Abbottabad hatten von Anfang an Zweifel: Dass Osama Bin Laden ein - wenn auch etwas zurückgezogen lebender - Nachbar gewesen sein könnte, hielten sie für undenkbar. Jetzt, wo ihnen noch immer niemand ein Beweis-Foto vorgelegt hat und das wohl auch nicht mehr passieren wird, fühlen sie sich bestätigt. "Dies ist eine Verschwörung", glaubt ein Einwohner Abbottabads. "Osama war nie hier. Dies ist eine amerikanische Verschwörung, damit die aus Afghanistan abziehen können. Aber der Tod Bin Ladens wird keinen Unterschied machen, weil jeder Muslim ein Osama ist."
Abneigung gegen USA sehr groß
Dass sich viele Pakistaner tatsächlich wie kleine Osamas fühlen, war schon länger klar. In Umfragen erhielt der Mann, der Tausende Menschenleben auf dem Gewissen haben dürfte, regelmäßig Zustimmungswerte von annähernd 50 Prozent. Schlicht, weil die Abneigungswerte gegen die USA so wahnsinnig hoch sind. Selbst gebildete Pakistaner machen gerne - auch das riecht nach Verschwörungstheorie - für so ziemlich alles, was ihnen so an Schlechtem widerfährt, die USA verantwortlich.
Dass die US-Amerikaner jetzt keine Fotos von Bin Laden veröffentlichen wollen, dürfte ihnen sehr verdächtig vorkommen. "Auf jede Informationslücke stürzt man sich hier sofort", so der pakistanische Journalist Fasi Zaka. "Hier in Pakistan glaubt man viele der Verschwörungstheorien. Die breiten sich mit einer unvorstellbaren Kraft aus. Jetzt ist das noch verhalten, aber das wird wachsen in den nächsten Wochen."
Dabei dürfte die Frage angebracht sein, ob es immer unbedingt einer Informationslücke bedarf, um zu allerlei wirren Theorien zu gelangen. Wer mit Menschen in Pakistan spricht, der bekommt mit schöner Regelmäßigkeit zu hören, dass sicher nicht Al Kaida für die Anschläge vom 11. September verantwortlich sei, sondern die USA selbst oder der israelische Mossad. Etwas weniger populär, aber durchaus im Umlauf ist diese Theorie: Der feindliche Nachbar Indien habe mithilfe von Flugzeugen das Wetter beeinflusst, um Pakistan die verheerenden Monsun-Fluten vom vergangenen Sommer zu schicken.
Ungläubige Reaktion auf US-Aktion
Insofern ist die Reaktion einiger auf die Tötung Osama Bin Ladens durch US-Spezialkräfte wenig erstaunlich. "Er war der größte Feind der USA und die haben sein Foto nicht veröffentlicht. Das ist nicht möglich", sagt ein Zeitungsverkäufer. "Wenn irgendjemand hier bei einem Unfall ums Leben kommt, dann sind die Zeitungen voll davon. Bin Laden aber war der größte Fang überhaupt in ihren Augen. Für Muslime war er natürlich ein Held, aber kein Bild ist von ihm veröffentlicht worden." Fast ungläubig blättert der Mann die Zeitungen durch, die er an seinem kleinen Kiosk verkauft.
Zugegeben: Auch Pakistan besteht nicht ausschließlich aus Verschwörungstheoretikern. Es finden sich genauso brillante Theoretiker der politischen Lage. Trotzdem ist die Frage, ob es aus US-Sicht schlauer ist, Fotos von Bin Laden zu veröffentlichen oder nicht, eine ziemlich schwierige. Was Pakistan angeht, ist beides riskant. Entscheidet man sich für das eine, schürt das bei vielen die Zweifel. Entscheidet man sich für das andere, schürt das vermutlich die Wut. Die USA scheinen die Skepsis für das kleinere Übel zu halten.