Zweiter EU-Brasilien-Gipfel EU feilt an der Partnerschaft mit Brasilien
Brasilien ist in Lateinamerika der wichtigste Handelspartner der EU. Beim zweiten EU-Brasilien-Gipfel sollen heute vor allem die Pläne für die strategische Partnerschaft vorangebracht werden. Zudem geht es um die Finanzkrise, Biosprit und den Weltsicherheitsrat.
Von Gottfried Stein, ARD-Hörfunkstudio Südamerika
Wenn Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy heute in Rio de Janeiro seinen brasilianischen Amtskollegen Lula da Silva trifft, ist es der letzte Gipfel unter seiner EU-Präsidentschaft. Brasilien ist ein wichtiger Partner der Europäer: Im vorigen Jahr war beim ersten gemeinsamen Gipfel in Lissabon eine strategische Partnerschaft vereinbart worden. Damit rückte das größte, bevölkerungsreichste und wirtschaftsstärkste Land Lateinamerikas in den Kreis der wichtigsten Handelspartner der Europäischen Union.
Die gemeinsamen Wirtschaftsbeziehungen laufen gut: Brasilien ist in Lateinamerika der wichtigste Handelspartner der EU. Allein mit Deutschland wurden im letzten Jahr Waren im Wert von rund 15 Milliarden Euro getauscht. Aber natürlich könnte das Volumen wesentlich größer sein.
Welthandelsgespräche dämpfen das Klima
Haupthindernis sind die gegensätzlichen Interessen bei den auf Eis liegenden Welthandelsgesprächen der sogenannten Doha-Runde. Brasilien fordert vehement Zugeständnisse im Agrarhandel sowie den Abbau von Importquoten, Zöllen und Subventionen. Umgekehrt verlangen die Europäer niedrigere Zölle für Dienstleistungen und Industrieprodukte.
Besser läuft es beim Geschäft mit Biotreibstoff. Brasilien ist der zweitgrößte Hersteller und weltgrößte Exporteur von Ethanol, das aus Zuckerrohr gewonnen wird. Bislang werden nur etwa fünf Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche für Zuckerrohranbau verwendet. Dabei hat das Land genügend Ressourcen, um die Produktion noch um ein Vielfaches zu steigern.
Die 2001 eingeleitete Doha-Runde soll Zollsenkungen in Milliardenhöhe und einen besseren Zugang der Entwicklungsländer zu den Märkten der reichen Staaten bringen. Sie sollte ursprünglich schon 2004 abgeschlossen werden. Dies scheiterte aber unter anderem am Streit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern über Agrarsubventionen. 2007 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen - 2008 aber platzten sie erneut wegen des Streits um Agrarzölle zum Schutz von Bauern in den ärmeren Ländern.
Europäische Sorgen um Nachhaltigkeit beim Biosprit
Die Europäer wären eigentlich dankbare Abnehmer, haben aber Angst, dass durch die Ethanolproduktion die Nahrungsmittelherstellung leidet und durch die Ausweitung der Anbauflächen letztlich Regenwald abgerodet wird. Bei ihrem Brasilienbesuch im Vorfeld des EU-Lateinamerikagipfels im Mai hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt: Eine Ausweitung der Biospritimporte hänge von der Nachhaltigkeit der Produktion ab.
EU-Ratspräsident Sarkozy scheint jedenfalls beruhigt. Er will bei seinem heutigen Besuch über die Exporthürden für brasilianisches Ethanol reden. Außerdem ist die Unterzeichnung eines Vertrages über Klimapolitik geplant. Und natürlich steht auch das Thema Finanzkrise auf der Tagesordnung: Brasilien fordert eine Aufwertung der G-20 Länder als wichtigstes Handels- und Entscheidungsgremium bei Weltwirtschaftsfragen, und damit faktisch eine Rückstufung des G-8 Gremiums.
Diskussionsstoff: Sitz im Weltsicherheitsrat
Daneben aber will Präsident Lula Sarkozy für ein Herzanliegen gewinnen: Seit Jahren kämpft Brasilien um einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat, und hofft, die Unterstützung Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens dafür zu gewinnen. Für Sarkozy ist das ein heikles Thema: Einerseits weil unter anderen Italien und Spanien strikt dagegen sind und andererseits, weil eine Erweiterung des ständigen Weltsicherheitsrates natürlich auch die Kandidatur Deutschlands bedeuten würde.
Sollte der Franzose seinen Gastgeber also bremsen, wird er ihm wenigstens die gute Laune nicht verderben: Jüngste Umfragen sehen Lula auf der Höhe seiner Macht. Über 80 Prozent der Bevölkerung finden seine Arbeit gut. Solche Zustimmungswerte hatte zuvor kein Präsident seit dem Ende der Militärdiktatur erzielt.