Brexit und die Folgen Drei Inseln zittern vor dem Brexit
Auf den drei britischen Inseln Guernsey, Jersey und Isle of Man ist die Welt in Ordnung. Dank Nullsteuersatz für Firmen läuft die Wirtschaft. Politischen Druck seitens der EU blockte Schutzmacht Großbritannien ab. Doch nach dem Brexit ist damit Schluss.
Die Isle of Man ist ein beschaulicher Ort. An der Seepromenade in Douglas, der Hauptstadt der Insel, scheinen die Wirren der Weltpolitik, politische Verträge und Abkommen weit entfernt zu sein. Gleichmäßig klappert die Straßenbahn, die hier noch immer, wie schon zu viktorianischen Zeiten, von schweren Kaltblutpferden gezogen wird. Aus dem 19. Jahrhundert stammen auch die Dampflokomotiven, die auf der Insel noch immer im Einsatz sind und die - genau wie das jährliche Motorradrennen - bei Touristen beliebt sind.
Das Geheimnis des Aufschwungs
Doch vom Tourismus kann die Insel schon lange nicht mehr leben. Nicht einmal zwei Prozent trägt der Sektor heute noch zur Wirtschaftsleistung bei. Auch der Export von Jakobsmuscheln, Lammfleisch oder vor Ort gefertigter Flugzeugteile in die EU kann den wirtschaftlichen Erfolg der Insel nicht erklären.
Das Geheimnis des jahrzehntelangen Aufschwungs und der Arbeitslosenquote von nur einem Prozent, auf die Regierungschef Howard Quayle im Interview stolz verweist, liegt zu großen Teilen im Steuersystem begründet.
Eine Touristenattraktion - die Straßenbahn an der Seepromenade in Douglas auf der Isle of Man.
Nullsteuersatz als Erfolgsgeheimnis
Die drei Inseln Guernsey, Jersey und Isle of Man bilden ein staatsrechtliches Kuriosum. Außenpolitisch betrachtet sind sie auf Gedeih und Verderb auf ihre Schutzmacht Großbritannien angewiesen, doch innenpolitisch haben sie faktisch freie Hand.
In der Vergangenheit haben die drei "Crown Dependencies" diese Freiheit nicht zuletzt dafür genutzt, ihre Wirtschaft auf Vordermann zu bringen - mit einem Trick, der vielen in der Europäischen Union bitter aufstößt. Auf allen drei Inseln beträgt die Steuer für ausländische Unternehmen null Prozent, eine Kapitalertragssteuer und Erbschaftssteuer gibt es nicht.
Entsprechend groß ist das Interesse internationaler Unternehmen auf der felsigen Isle of Man einen eigenen Standort zu unterhalten und sei es nur in Form eines Briefkastens. In den Straßen von Douglas reihen sich deshalb Banken, Rechtsanwaltskanzleien, Notare und Wirtschaftsprüfer, die sich auf dieses Offshore-Geschäft spezialisiert haben, aneinander und lassen die Kassen der Insel klingeln.
Wirtschaften auf Kosten anderer Staaten
Diese Form des Wirtschaftens stößt auf Ebene der EU auf wenig Gegenliebe, schließlich besteht die begründete Sorge, dass dieses Modell Löcher in die Haushalte anderer EU-Staaten reißt. Mehrere europäische Staaten, darunter Belgien, Spanien, Griechenland und Kroatien, führen die drei Inseln deshalb auch offiziell als Steueroasen.
Simon Pickering arbeitet im Wirtschaftsministerium - er will davon nichts hören. Die Isle of Man sei eine neutrale Steuerjurisdiktion und gehe damit offen um. Auch die Regierungen in Guernsey und Jersey weisen den Vorwurf zurück, eine Steueroase zu sein und betonen ihr Recht, Steuern selbst festzulegen.
Simon Pickering arbeitet im Wirtschaftsministerium der Isle of Man.
Merkmal einer Steueroase
Werner Langen sitzt für die CDU im Europaparlament. Unter anderem leitet er den Pana-Untersuchungsausschuss, der Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung in der EU aufklären soll. "Der Nullsteuersatz ist ein typisches Merkmal einer Steueroase" urteilt Langen. Künftig müssten diese "unfairen Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden".
Langen steht mit seiner Kritik nicht allein. Bei den aktuellen Verhandlungen von EU-Kommission und -Rat über eine einheitliche Schwarze Liste von Steueroasen spielt die Frage nach dem Nullprozentsteuersatz für Unternehmen eine entscheidende Rolle.
Bislang konnten Guernsey, Jersey und die Isle of Man allen politischen Druck seitens der EU auf ihr Wirtschaftsmodell dank der Hilfe von Großbritannien abwehren. Erst zuletzt hat London in den EU-Verhandlungen dafür gesorgt, dass Länder mit Nullsteuersatz nicht automatisch als Steueroasen gebrandmarkt, sondern lediglich einer gesonderten Prüfung unterzogen werden.
Brexit stellt Wirtschaftsmodell infrage
Gemäß ihres politischen Status durften die Bewohner der "Crown Dependencies" nicht über den Brexit abstimmen. Nun sind sie mit einem Votum konfrontiert, das sie vor erhebliche Probleme stellt. Ihm selbst wäre es lieber gewesen, die Briten hätten für den Verbleib gestimmt, gibt der Regierungschef der Isle of Man, Howard Quayle, denn auch unumwunden zu. Aber es sei nun mal passiert und seine Aufgabe sei es jetzt "ökonomische Möglichkeiten auszuloten und Eisberge zu umschiffen".
Kein Brexit-Freund: Der Regierungschef der Isle of Man, Howard Quayle.
Und Eisberge gibt es viele. Die Isle of Man könnte im Zuge des Brexit nicht nur ihren steuerfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt verlieren, auch eine eingeschränkte Freizügigkeit könnte das auf ausländische Arbeitskräfte zwingend angewiesene Wirtschaftssystem massiv unter Druck setzen.
Reputationsverlust und Sanktionen
Als größtes Problem für Guernsey, Jersey und die Isle of Man könnte sich aber ihr Steuersystem erweisen. Anfang des Jahres haben sie von der EU Kommission Post bekommen. Experten prüfen bis Ende des Jahres, ob die drei Inseln auf die Schwarze Liste der EU für Steueroasen gesetzt werden sollen oder nicht.
Wer dort landet, hat nicht nur mit einem gehörigen Reputationsschaden, sondern auch mit wirtschaftlichen Sanktionen zu rechnen. In den aktuellen Verhandlungen, in denen das Einstimmigkeitsprinzip herrscht, können die Inseln noch auf den Schutz Großbritanniens hoffen. Doch mit dem Brexit verliert Großbritannien seine Stimme in der EU und die Inseln ihre Beschützerin. "Lassen Sie mich ehrlich sein, das ist ein potenzielles Problem", gesteht Pickering mit Blick auf künftige Auseinandersetzungen mit der EU.