Neuer Brexit-Fahrplan "Die Hoffnung stirbt zuletzt"
Am britischen Parlament führt auch nach dem Brexit-Aufschub nichts vorbei. Die Zeit dränge, sagte Kanzlerin Merkel, der 12. April sei nur "eine sehr kurze Frist". EU-Ratspräsident Tusk formulierte es zugespitzter.
Am zweiten Tag des EU-Gipfels ist die britische Premierministerin Theresa May bereits nicht mehr in Brüssel - nach der Einigung auf die Verschiebung des Brexit reiste sie umgehend zurück nach London. Ihr steht die Mammutaufgabe bevor, das Unterhaus irgendwie doch noch vom Austrittsabkommen zu überzeugen, das bereits zwei Mal durchgefallen ist. Die Gefahr eines "harten" Brexit konnte der Gipfel nicht bannen.
Von großer Erleichterung ist in Brüssel deshalb nichts zu spüren. "Wir sind auf das Schlimmste vorbereitet, aber wir hoffen das Beste", fasste EU-Ratspräsident Donald Tusk zusammen. "Bis zum 12. April ist alles möglich." Er nannte dabei eine Annahme des Austrittsabkommens, eine lange Verschiebung des Brexit oder gar eine Rücknahme der Austrittserklärung. "Die Hoffnung stirbt zuletzt."
"Sehr kurze Frist" bis zum 12. April
Änderungen am ausgehandelten Abkommen werde es nicht geben, machte Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich. Zwar habe die EU einen ungeregelten Austritt zum 29. März "erst einmal verhindert", sagte sie. Es sei aber dann nur "eine sehr kurze Frist" bis zum 12. April. Sollte das britische Parlament bei seiner Ablehnung bleiben, werde es wohl ein weiteres EU-Gipfeltreffen geben. Die britische Regierung müsse in diesem Fall bis zum 12. April sagen, wie sie weiter verfahren wolle.
Sorge um die Europawahl
Merkel machte ihre Priorität deutlich. Der Brexit dürfe die Europawahl nicht gefährden. Es brauche Rechtssicherheit, die Wahl dürfe nicht anfechtbar sein, sagte die deutsche Regierungschefin. Das europäische Parlament wird bereits Ende Mai gewählt, so dass derzeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass Großbritannien doch noch daran teilnehmen wird.
"Die Uhr läuft"
Einige EU-Regierungschefs erhöhten nach der Verschiebung des Brexit abermals den Druck auf das britische Parlament. "Die Uhr läuft", sagte der dänische Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen. "Die Europawahl ist das Limit", betonte er. Für den Fall einer Verschiebung des Austrittsdatums über Mai 2019 hinaus müsste Großbritannien an der Europawahl teilnehmen.
Auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz sieht die Verantwortung für einen glimpflichen EU-Ausstieg klar beim Parlament in London. "Wir haben Klarheit, was die nächsten Wochen betrifft", sagte er zum Gipfelbeschluss. Die EU hoffe auf eine Zustimmung im Unterhaus. "Wenn es die nicht gibt, rückt der harte Brexit einen Schritt näher."
Woher soll die Mehrheit kommen?
Im britischen Parlament sieht es nicht nach einem Kurswechsel aus. Mehrere einflussreiche Abgeordnete bekräftigten, dass sie den mit der Europäischen Union ausgehandelten Vertrag weiterhin ablehnen.
"Wenn ein Deal ein schlechter Deal ist, dann ist er ein schlechter Deal, und ich werde nicht dafür stimmen", sagte etwa der konservative Abgeordnete Peter Bone der BBC.
May selbst gibt sich unverdrossen kämpferisch: Sie werde "hart um Unterstützung" werben, "um das Abkommen im Parlament durchzubringen", sagte sie nach ihrer Rückkehr aus Brüssel. Weil sie am Mittwoch dem Unterhaus den Schwarzen Peter für das Brexit-Chaos zugeschoben hatte, könnte dies noch schwieriger werden.
Britische Medien stufen die Chancen auf Zustimmung zum Austrittsabkommen als gering ein und spekulieren bereits über einen möglichen Rücktritt Mays in den nächsten Wochen oder Monaten.