Hendricks bei Umweltkommissar Nur Versprechen reichen nicht mehr
Nach dem Krisengespräch über Luftreinheit hat die EU-Kommission die von Deutschland versprochenen Maßnahmen als nicht ausreichend bezeichnet. Falls Berlin keine besseren Vorschläge einbringt, droht eine Klage.
Es war die Stunde der Wahrheit für Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und acht ihrer EU-Kollegen. In Brüssel mussten sie der EU-Kommission zu den regelmäßig überschrittenen Schadstoffgrenzwerten in Europas Innenstädten Rede und Antwort stehen. Dies sei in 23 von 28 EU-Mitgliedsstaaten seit Jahren ein Problem, beklagte die Kommission. Die von Deutschland und den anderen Regierungen versprochenen Maßnahmen bezeichnete Umweltkommissar Karmenu Vella weiterhin als unzureichend. Hendricks' Kernbotschaft lautete: "Wir sind ja auf dem Weg, lasst uns noch Zeit."
Vella zufolge hat es zwar einige positive Vorschläge gegeben. Diese genügten aber nicht. "Die Standards zur Luftreinhaltung werden weiterhin überschritten werden." Neben Deutschland sind Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien, Rumänien, Ungarn, Tschechien und die Slowakei betroffen. Vella bekräftigte erneut, Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einzureichen, wenn die Maßnahmen nicht ausreichten. Bis Ende der kommenden Woche haben die Mitgliedsstaaten Zeit, ihre Zusagen zu vervollständigen.
Problem vor allem durch Dieselmotoren verursacht
Schuld an der Misere sind vor allem Dieselmotoren, die laut Experten 40 Prozent der Emissionen verursachen. Schuld seien aber auch die Regierungen der Mitgliedsstaaten, die es bisher nicht geschafft hätten, durch strengere Kontrollen oder im Notfall auch Fahrverbote das Problem in den Griff zu kriegen, rügte Vella.
Der EU-Kommissar erinnerte daran, dass die Länder bereits seit 2008 per EU-Recht dazu verpflichtet seien, ihre Bürger vor gesundheitsschädlichen Abgasen zu schützen. Bis zu 400.000 vorzeitige Todesfälle, etwa durch Asthma oder Lungenkrebs, seien darauf zurückzuführen.
Deutschland hat ein Verkehrs-Problem
Hendricks räumte ein, dass Deutschland eindeutig ein Verkehrs-Problem habe. Die Bundesregierung versuche dennoch weiterhin, Dieselfahrverbote zu vermeiden. Grenzwertüberschreitungen bei Feinstaub seien in deutschen Städten mit Ausnahme von Stuttgart hingegen kein Problem mehr. Sie versuchte, eine juristische Klage gegen Deutschland vor allem dadurch abzuwenden, indem sie auf jüngste Erfolge beim Kampf gegen gefährliche Stickoxide verwies. "Während 2016 noch 90 Städte über dem Grenzwert lagen, waren es 2017 nur noch 70, also immerhin 20 Städte weniger", sagte sie. Allerdings sieht es derzeit nicht danach aus, als würde sich die EU-Kommission erweichen lassen und von einer Klage absehen.
Hendricks sieht die Autohersteller weiterhin in der Pflicht. Wenn Nachrüstungen an Fahrzeugen den Ausstoß von Stickoxid mindern könnten und technisch möglich seien, sollten sie erfolgen und aus ihrer Sicht "von den Herstellern bezahlt werden", sagte sie. Das sei bislang jedoch noch nicht die Meinung der gesamten Bundesregierung.
"Autobauer schaden sich selbst am meisten"
Die Umweltministerin äußerte sich auch zu den Abgasversuchen von VW an Affen und Menschen. Offenbar seien sich Einzelne oder auch Mehrere in der Autoindustrie ihrer Verantwortung nicht bewusst, sagte Hendricks. Sie schadeten damit der ganzen Branche. "Das, was VW wohl führend und zusammen mit anderen Automobilherstellern gemacht hat an Versuchen mit Affen in New Mexico und mit Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, halte ich für verantwortungslos", sagte sie.
Man habe inzwischen einiges erlebt - von betrügerischer Software über mehrere Kartellabsprachen bis zu diesen unethischen Versuchen", so die SPD-Politikerin. "Niemand, der der Autoindustrie bewusst schaden will, könnte so viel Schaden anrichten, wie die es selbst machen."