Wirtschaftskrise in Venezuela Absurde Einkaufstour durch Caracas
Hohe Inflation, Devisen- und Warenmangel: Die Wirtschaftskrise im sozialistischen Venezuela wird von Tag zu Tag schlimmer. In den Läden bekommt man einen Eindruck vom Niedergang und seinen Absurditäten. Ein Test vor Ort.
Venezuela für Devisenbesitzer: die Geldzählmaschine. 100 US-Dollar sind nach dem offiziellen Kurs, der für ausländische Besucher gilt, rund 18.000 Bolivares. Aber der größte Schein im Inflationsland Venezuela sind immer noch 100 Bolivares - ungefähr 55 US-Cent. Das heißt: Wer 100 Dollar tauscht, bekommt 180 Scheine. Ein ordentlicher Batzen - den muss man zweimal durchrattern lassen, sagt die Frau an der Zählmaschine lachend.
Auf Einkaufstour durch Caracas. Erst mal Wasser besorgen, denn in Lateinamerika kann man das Wasser aus dem Hahn meist nicht trinken. Aber überall die gleiche Antwort: Es gibt keines.
Sind Saboteure schuld?
Wenn irgendwo etwas fehlt in Venezuela, ist das aus Sicht der sozialistischen Regierung das Werk von oppositionellen Saboteuren. Deshalb wurde kürzlich auch der Direktor der Drogeriekatte Farmatodo verhaftet. Genutzt hat es nichts. Bei Farmatodo gibt es trotzdem kein Wasser - auch kein Klopapier oder Shampoo.
Nach stundenlanger Suche dann doch ein kleiner Laden, der Wasserflaschen hat. "Schauen sie", sagt der Verkäufer dort, als er zu den Kühlfächern führt: "Plastikflaschen sind knapp. Deshalb gibt es vielerorts auch kein Wasser."
"Manche warten schon die ganze Woche"
Venezuela ohne Devisen: eine Warteschlange vor einem Haushaltswarengeschäft. Küchenmixer sollen hier verkauft werden. Ein Uniformierter der Volksgarde in Olivgrün und Rot verliest die Namen derjenigen, die sich Hoffnung machen können. Sonst passiert nichts.
"Manche Leute warten hier schon die ganze Woche", sagt ein junger Mann. "Wenn sie solche Sachen anbieten, kommen immer die Massen. Auch, um es dann teurer weiterzuverkaufen."
Haushaltswaren sind als Anlage begehrt
Bei mehr als 60 Prozent Inflation und Devisenbeschränkungen verlieren die Bolivares schnell an Wert. Als beständige Investition gelten deshalb Haushaltswaren - wenn es sie denn gibt. Im Sambil, der bekanntesten Mall von Caracas, stehen in machen Läden noch ein Fernseher und ein Kühlschrank. Nicht zum Verkauf, sagt ein Schild.
Im Sambil gibt es auch eine große Buchhandlung. Früher eine sehr gute Adresse - aber jetzt ist jedes zweite Regal leer: "Das liegt zum einen am Papiermangel", sagt der ältere Verkäufer im Anzug. "Die meisten unserer Bücher werden aber gar nicht hier gedruckt, sondern importiert. Und dafür bekommen wir keine Devisen zugeteilt."
Wenn der Kaffee elf Dollar kostet
Zum Abschluss der Einkaufstour einen Kaffee. Ohne Milch, erklärt mir die Verkäuferin. Denn Milch habe sie schon lange nicht mehr.
Der Kaffee kostet laut Ausländerwechselkurs übrigens rund 40 Cent - ganz schön billig. Für Venezolaner ist das trotzdem ganz schön teuer, denn ihr Einkommen orientiert sich an einem völlig anderen Wechselkurs. Und wenn man den anlegt, kostet der gleiche Kaffee statt 40 Cent stolze elf Dollar. Venezuela wird so immer mehr zur sozialistischen Klassengesellschaft. Reiche Devisenbesitzer, oft aus der Funktionärsschicht, stehen den verarmenden Bolivares-Verdienern gegenüber.
Nach fünf Tagen Caracas die Bolivares noch mal durchgezählt. Achtzig Scheine sind übrig. Ein Rücktausch in Dollar ist leider nicht möglich. Das Bündel wird schon bald kaum noch etwas Wert sein.