Christine Lagarde Krisenmanagerin mit Charme
Sie sei keine Ökonomin, lautet einer der Kritikpunkte an der Nominierung der Französin Lagarde als EZB-Chefin. Dafür kann die bisherige IWF-Chefin andere Pluspunkte aufweisen, die sich als wertvoll für die EZB erweisen könnten.
Eine Frau mit Stil, elegant gekleidet, charmant, verlässlich und respektiert - für viele gilt die Französin Christine Lagarde als gute Wahl für den Chefposten der Europäischen Zentralbank.
Dennoch gibt es Kritik an der Festlegung auf die 63-jährige Juristin, die seit acht Jahren die UN-Sonderorganisation Internationaler Währungsfonds (IWF) leitet. Sie habe bislang keine nationale Zentralbank geführt und sei auch keine Ökonomin, wird sowohl in der Finanzbranche als zum Beispiel auch in der französischen Zeitung "Le Monde" moniert.
Der Chefökonom der Privatbankengruppe EFG mit Sitz in Zürich, Stefan Gerlach, befürchtet laut "Handelsblatt", eine Krise mit "einer komplett neuen Situation" könne sie überfordern.
Dabei zählten die Rettung Griechenlands, die Krise im Euroraum und die internationale Finanzkrise zu ihren wichtigsten Themen nicht nur als IWF-Chefin, sondern auch schon zuvor während ihrer Zeit als französische Wirtschafts- und Finanzministerin in den Jahren 2007 bis 2011.
Setzt Lagarde die lockere Geldpolitik fort?
Ob sie mit ihrer Vergangenheit als französische Politikerin eine Geldpolitik betreiben wird wie der amtierende EZB-Chef Mario Draghi und dessen Vorgänger Jean-Claude Trichet, wird unterschiedlich bewertet. Ins Feld geführt wird dabei, dass sie Draghis Versprechen einer unbedingten Euro-Rettung lobte und wiederholt Zentralbanken aufgeforderte, die Konjunktur durch eine lockere Geldpolitik abzusichern.
Als IWF-Chefin sorgte Lagarde für eine Modernisierung des Fonds.
Jene, die Lagarde wohlgesonnen sind, verweisen darauf, dass die Geldpolitik der EZB stark von der Position des Chefökonomen geprägt wird, die der Ire Philip Lane übernimmt. Lagardes Aufgabe sei es vielmehr, die Kompetenz innerhalb der EZB zusammenzuführen, zwischen den EZB-Mitgliedern zu vermitteln und darüber hinaus mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren.
Teamspielerin mit sozialer Verantwortung
Dass sie dafür die notwendigen engen Kontakte in die Politik und passende Eigenschaften mitbringt, zeigte sie vielfach. Schon in ihrer Jugend als Synchronschwimmerin galt sie als Teamspielerin, wie die US-Modezeitschrift "Vogue" 2011 in einem Porträt über sie schrieb. Sie gilt als Frau, die auf Rat hört und der es leicht fällt, zu kommunizieren.
Sie ist in den sozialen Netzwerken von Twitter über Facebook bis Instagram präsent und fiel angesichts der aufkommenden Handelskonflikte mit ermutigenden und mahnenden Worten auch gegenüber der EU auf.
Lagarde, die am Anfang ihrer Karriere als Anwältin in den USA arbeitete, machte den IWF transparenter und unabhängiger von den USA. Gegenüber finanzschwachen Ländern verzichtete der Fonds unter ihrer Führung auf Auflagen, die zu große soziale Härten für die Bevölkerung nach sich ziehen würden. Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Ungleichheit, Armut und Umweltschutz wurden neu aufgenommen.
Urteil ohne Strafe
Ein dunkler Schatten auf ihrer beruflichen Laufbahn bleibt jedoch die Affäre um den Ex-Adidas-Chef Bernard Tapie. Als Wirtschaftsministerin soll sie sich 2008 vorschnell auf einen Vergleich mit ihm eingelassen haben, den ein privates Schiedsgericht vorgeschlagen hatte. In dessen Folge erhielt Tapie eine umstrittene Entschädigungszahlung in Millionenhöhe.
Lagarde wurde wegen Amtsmissbrauchs angeklagt und 2016 wegen fahrlässigen Umgangs mit öffentlichen Geldern schuldig gesprochen. Sie erhielt jedoch keine Strafe und wurde auch nicht als vorbestraft registriert. Die Vertreter der 189 IWF-Mitgliedsstaaten entschieden damals, dass sie trotzdem Chefin bleiben solle.
In der Affäre Tapie erhielt Lagarde ein Urteil ohne Strafe.
Über diesen Punkt und die Tatsache hinaus, dass sie keine Vorlesungen in Volkswirtschaft besucht hat, fanden regierungskritische französische Journalisten 2011 vor ihrer Ernennung zur IWF-Chefin und jetzt zur Nominierung als EZB-Chefin wenig, was ihre Eignung in Frage stellt. Hier und da werden ihr ungeschickte Äußerungen zugeschrieben.
Als bemerkenswert wird hervorgehoben, dass sich der ehemalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für sie als EZB-Chefin ausspricht, auch wenn er bei der Griechenland-Rettung eine andere Position als sie vertrat. US-Präsident Donald Trump zeigt ihr Respekt. Es gibt nicht einen Tweet von ihm, in dem er sie oder den IWF erwähnt. Als EZB-Chefin könnte sie mit den anderen Frauen an der Spitze der EU ein Signal setzen gegenüber Trump und anderen Staatsführern.