Mehr Datenschutz im Internet EU-Kommission fordert "Recht auf Vergessen"
Die EU will persönliche Daten im Internet besser schützen. Gelingen soll das mit europaweiten Regeln, darunter ein "Recht auf Vergessen" im Netz und kundenfreundlichere Privatsphäre-Einstellungen. Experten zweifeln jedoch, ob dies tatsächlich den Datenschutz verbessern wird.
Persönliche Daten sollen in Europa besser geschützt werden. EU-Grundrechtekommissarin Viviane Reding hat in Brüssel Vorschläge für neue Regeln für Unternehmen, Polizei und andere Behörden gemacht. "Die Bürger haben nicht immer das Gefühl, die volle Kontrolle über ihre persönlichen Daten zu haben", sagte Reding. Um das zu ändern, will sie Bürgern ein "Recht auf Vergessen" einräumen.
Besonders ins Visier nimmt Reding soziale Netzwerke wie Facebook. Diese müssten Daten in Zukunft auf Wunsch ihrer Nutzers wieder löschen. Geschäftsbedingungen, die die Privatsphäre betreffen, müssen den Vorschlägen zufolge einfach und klar formuliert werden. Die Zustimmung zur Datenverarbeitung dürfen Unternehmen nicht stillschweigend voraussetzen, sie muss ausdrücklich erteilt werden.
Unkomplizierte Daten-Auskunft
Ferner schlug Reding vor, dass Internet-Anwender in Europa unkompliziert Auskunft erhalten sollen, was Online-Netzwerke oder der Versandhandel alles über sie wissen. Kunden, die den Anbieter wechseln, sollen ihre Daten ohne großen Aufwand übertragen können. Grundrechtekommissarin Reding plant, dass Bürger Beschwerden an die Aufsichtsbehörde ihres eigenen Landes richten können, auch wenn es um ein Unternehmen außerhalb der EU geht. Denn auch für nicht-europäische Unternehmen sollen die neuen Regeln gelten, wenn sie in Europa Geschäfte machen - selbst wenn die Daten gar nicht in der EU verarbeitet werden.
Bußgelder bis zu einer Million Euro
Verstöße gegen Datenschutz-Vorgaben sollen die Übeltäter teuer zu stehen kommen. Vorgesehen sind Bußgelder bis zu einer Million Euro oder bis zu einer Höhe von zwei Prozent des weltweiten Umsatzes. Die neuen europaweiten Regeln könnten Einsparungen von 2,3 Milliarden Euro bringen, schätzt die EU-Kommission - zum Beispiel, weil Unternehmen nur noch mit der Datenschutzbehörde jenes EU-Landes zu tun haben, in dem sie ihren Hauptsitz haben.
Befürchtungen aus Deutschland vor sinkenden Datenschutz-Standards konterte die EU-Kommissarin. "Die deutschen Datenschutz-Regeln gehören zu den besten", sagte Reding. Diese hohe Niveau wolle sie europaweit halten. "Die Deutschen sollten sich nicht sorgen, sondern freuen, weil die Standards, die bisher nur in Deutschland galten nun überall gelten werden."
Grundsätzlich gute Resonanz
Grundsätzlich fanden die Vorschläge Redings ein positives Echo. Die Vorschläge der EU-Kommission seien "eine gute Grundlage, auf deren Basis allerdings noch einige Verbesserungen vorgenommen werden sollten", sagte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar.
Die für den Verbraucherschutz zuständige Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) sagte, wichtig seien gemeinsame europäische Datenschutzstandards "mit einer globalen Anziehungskraft". Dabei müsse das in Deutschland erreichte hohe Datenschutzniveau gewahrt bleiben.
Für die Grünen erklärte die Fraktionsvorsitzende Renate Künast, der Entwurf weise in die richtige Richtung: "Datenschutz und digitale Welt müssen zusammengeführt werden." Das in den Vorschlägen enthaltene "Recht auf Vergessen" sei der richtige Denkansatz, wenn es um das Löschen von Inhalten im Internet gehe.
Kritik von Piraten, FDP und aus der Wirtschaft
Der Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Sebastian Nerz, kritisierte jedoch das angestrebte "Recht auf Vergessen" im Internet. Es offenbare "ein beinahe naives Verständnis von Technik". Wenn Reding etwa verlange, dass jeder Internet-Anbieter binnen 24 Stunden sämtliche Kopien eines bestimmten Datensatzes löschen müsse, sei dies technisch gar nicht durchführbar. Die EU-Kommission setze zu sehr auf technische Einzelregularien. "Da ist die Internet-Wirtschaft viel zu kreativ, um sich damit gängeln zu lassen."
Auch die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Gisela Piltz, kritisierte: "Leider sind die Brüsseler Vorschläge an einigen Stellen bereits veraltet, bevor sie überhaupt Wirkung entfaltet haben." Angesichts digitaler Datenströme könnten national wirkende Regelungen allein den Schutz von Persönlichkeitsrechten aber nicht mehr effektiv gewährleisten.
Für die Deutsche Telekom erklärte Datenschutzbeauftragter Claus-Dieter Ulmer, für ein international tätiges Unternehmen sei die Harmonisierung innerhalb Europas ein nicht zu unterschätzender Vorteil. "Systeme, Plattformen und Geschäftsmodelle können endlich international aufgesetzt werden, ohne aufgrund einzelstaatlicher Gesetzgebung verschiedene und kostenintensive Lösungsansätze entwickeln zu müssen."