Interview zur Reiskrise "Jeder Preisanstieg ist für die Armen gefährlich"
Der Reispreis ist extrem hoch. Davon ist die Ernährung von bis zu drei Milliarden Menschen betroffen. Das wäre zu verhindern gewesen, meint Reisexperte Dobermann - schließlich habe sich die Krise schon seit 15 Jahren angedeutet. Wie sich das Problem lösen lässt, erklärt er im tagesschau.de-Interview.
Der Reispreis ist extrem hoch. Davon ist die Ernährung von bis zu drei Milliarden Menschen betroffen. Das wäre zu verhindern gewesen, meint Reisexperte Dobermann - schließlich habe sich die Krise schon seit 15 Jahren angedeutet. Wie sich das Problem lösen lässt, erklärt er im tagesschau.de-Interview.
tagesschau.de: Herr Dobermann, Sie leben und arbeiten in Manila. Was bekommen Sie dort von der Reiskrise mit?
Achim Dobermann: Reis ist hier extrem wichtig. Steigende Preise haben eine direkte Wirkung auf die Menschen. Momentan ist es relativ ruhig. Einerseits weil die Regierung Reis importiert hat, andererseits weil die erste Reisernte gerade eingefahren worden ist. Die Gesamtlage bleibt allerdings angespannt.
tagesschau.de: Stimmt es, dass die Reisportionen im Restaurant oder in der Garküche kleiner geworden sind?
Dobermann: Einige Fastfood-Ketten haben die Portionen verkleinert. Allerdings kann ich nicht sagen, ob das jetzt noch der Fall ist. Dafür gehe ich da zu selten hin.
Achim Dobermann ist Forscher am International Rice Research Institute in der philippinischen Hauptstadt Manila. Eine asiatische Zeitung bezeichnete ihn als "Dr. Reis".
tagesschau.de: Können Sie sagen, wie viele Menschen weltweit von der Reiskrise betroffen sind?
Dobermann: Wir gehen davon aus, dass Reis für drei Milliarden Menschen Grundnahrungsmittel ist. 20 Prozent aller konsumierten Nahrungsmittel gehen auf Reis zurück. Jeder Anstieg des Preises bedeutet für die Armen dieser Welt eine gefährliche Veränderung.
tagesschau.de: Hat Sie die Krise in der Reisproduktion überrascht?
Dobermann: Eigentlich nicht. Überraschend war höchstens, wie schnell die Weltmarktpreise angezogen haben, auch als Folge von Spekulationen an den Rohstoffbörsen. Wir haben aber schon vor 15 Jahren erste Anzeichen der Krise gesehen, als die Zuwächse bei den Erträgen zurückgingen oder stagnierten...
tagesschau.de: ...und das bei steigenden Bevölkerungszahlen.
Dobermann: Aus unserer Sicht war es also nur eine Frage der Zeit bis zu einer spürbaren Verknappung des Reisangebots. Da kann ein Schädlingsbefall oder eine Naturkatastrophe ausreichen – und die akute Krise ist da.
tagesschau.de: Wie gravierend sind die Naturkatastrophen in Birma und China für den Reismarkt? Birma war ja bisher Reisexporteur...
Dobermann: ...und außerdem war Birma eine der Hoffnungen für die künftige Reisversorgung der Region. Im Moment kommt es darauf an, dass der Reisanbau in Birma wieder angeschoben wird. Aber es ist zu erwarten, dass erst einmal ein bis zwei Millionen Tonnen weniger in Birma produziert werden - Reis, der dann nicht mehr für den Export zur Verfügung steht. Im Gegenteil: Birma wird zum Importeur. Insgesamt hat das Land vor dem Wirbelsturm 30 Millionen Tonnen Reis pro Jahr produziert. In China ist die Lage im Erdbebengebiet noch unklar.
tagesschau.de: Sie sagen, dass Sie die Reiskrise eigentlich nicht überrascht hat. Was wäre als nächstes zu tun, um das Problem nachhaltig anzugehen?
Dobermann: Die Regierungen der betroffenen Länder müssen zunächst kurzfristig dafür sorgen, dass ihre Armen genug zu essen haben. Unser Institut hat zudem ein Programm vorgeschlagen, das das Problem langfristig lösen soll. Die entscheidenden Maßnahmen sind im Bereich Infrastruktur und Saatgut nötig. Es ist möglich, mit derselben Menge Wasser größere Flächen zu bewässern. Und es geht darum, verstärkt die ertragreicheren Reissorten zu den Bauern zu bringen. Schließlich muss mehr Geld für Forschung und Beratung zur Verfügung gestellt werden.
tagesschau.de: Das klingt verblüffend einfach. Warum ist es nicht so gemacht worden?
Dobermann: Anfang der 90er Jahre hatte bei den Entwicklungspolitikern eine gewisse Zufriedenheit eingesetzt. Das Hungerproblem schien gelöst. Der Agrarsektor bekam weniger Aufmerksamkeit, Geld floss verstärkt in andere Bereiche, etwa in die Bildungs- und Gesundheitspolitik. Das muss man langfristig korrigieren, es ist nichts, was in ein oder zwei Jahren behoben ist. Auch wenn die Preise sicher rasch sinken, wenn wieder mehr Reis angebaut wird.
Die Fragen stellte Christian Radler, tagesschau.de