Kritik an EU, NATO und USA Erdogan droht mit Abwendung vom Westen
Der türkische Präsident Erdogan ist unzufrieden: Auf dem Rückflug aus Usbekistan hat er zu einem verbalen Rundumschlag gegen EU, NATO und USA ausgeholt. So sei etwa ein EU-Beitritt nicht alternativlos, machte er deutlich. Auch neue Verbündete nannte er.
Die Europäische Union blickt immer wieder mit Sorge auf die Entwicklungen in der Türkei. Seit dem gescheiterten Putschversuch geht der türkische Staat mit großer Härte gegen Kritiker und angebliche Feinde in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft vor. Zehntausende Menschen wurden seit Mitte Juli schikaniert, gefeuert und verhaftet. Dieses Vorgehen wird aus der EU immer wieder kritisiert - zum Missfallen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der die Härte für gerechtfertigt hält und die EU-Kritik als überzogen bezeichnet.
So erklären sich auch Äußerungen Erdogans auf dem Rückflug aus Usbekistan, die von mehreren türkischen Zeitungen zitiert werden. Eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU sei nicht alternativlos, sagte Erdogan nach Angaben der Zeitung "Hürriyet". Vorstellbar sei etwa, dass sich die Türkei stattdessen der von Russland und China dominierten Shanghaier Kooperationsorganisation anschließe. Darüber habe er bereits mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen.
Der SCO gehören neben Russland und China auch die zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan an. Die Organisation wurde 2001 als regionaler Sicherheitsblock gegründet. Hauptziel ist der bessere Schutz vor Islamisten und Drogenschmugglern aus Afghanistan.
Die Türkei hat wie Weißrussland den Status eines Gesprächspartners, der an Treffen auf Ministerebene ohne Stimmrecht teilnehmen darf.
Entscheidung oder Referendum
Außerdem bemängelte Erdogan erneut die zögerliche Haltung Europas im Beitrittsprozess. "Die EU hält uns seit vollen 53 Jahren hin", sagte er. Erst vor wenigen Tagen hatte Erdogan von der EU eine Entscheidung über einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen bis zum Ende des Jahres gefordert und andernfalls ein Referendum in der Türkei angekündigt.
Die Beitrittsgespräche zwischen der Europäischen Union und der Türkei stecken schon länger in einer Krise, die sich durch das Vorgehen der türkischen Behörden seit dem Putschversuch vertieft hat. In der EU mehrten sich zuletzt Forderungen, die Beitrittsgespräche auszusetzen. Dabei spielt auch die mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei, die Erdogan befürwortet, eine Rolle.
Verärgert über die NATO
Erdogan beließ es aber nicht bei seiner Kritik an der EU, auch mit der NATO ist der türkische Präsident nicht zufrieden. Ebenfalls auf dem Flug warnte er die NATO davor, türkischen Offizieren Asyl zu gewähren. Bei den Betroffenen handle es sich um Soldaten, denen "Terrorismus vorgeworfen" werde, sagte er laut der Zeitung "Milliyet". Die Soldaten seien an der Vorbereitung des Putsches im Sommer beteiligt gewesen, fuhr er fort. Die NATO dürfe diesen Anträgen nicht stattgeben. Er forderte demnach die Ausweisung der Betroffenen.
Stoltenberg bestätigte Asylgesuche türkischer Soldaten.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte am Freitag bestätigt, dass einige Offiziere aus den NATO-Kommandostrukturen in den jeweiligen Einsatzländern Asyl beantragt hätten. Weder Stoltenberg noch Erdogan äußerten sich zur Zahl der eingereichten Asylanträge. Stoltenberg stellte klar, dass nicht die NATO über die Anträge entscheiden werde, sondern jedes Mitgliedsland.
"Das war für uns sehr ärgerlich"
Enttäuscht ist Erdogan auch über die USA. In einem Interview des US-Nachrichtensenders CBS kritisierte er die Politik Washingtons im Syrien-Konflikt und in der Flüchtlingskrise. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich sei nicht desillusioniert", sagte Erdogan in der Sendung "60 Minutes".
Die Türkei habe diese Themen bei US-Präsident Barack Obama und Vizepräsident Joe Biden zur Sprache gebracht, sagte Erdogan. "Sie haben sich der Situation nicht gewachsen gezeigt und diese Themen nicht ernsthaft behandelt. Das war für uns sehr ärgerlich."
Die Türkei bekämpft in Nordsyrien die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), aber auch die Kurden-Milizen der YPG. Die USA arbeiten im Kampf gegen den IS dagegen mit der YPG zusammen. Die Kämpfer erhalten Waffen, Ausbildung und werden aus der Luft unterstützt.