Kindesmissbrauch im Internet Kriminelle profitieren von Datenschutz
Die Nachfrage nach Inhalten von sexuellem Kindesmissbrauch im Internet ist in der EU stark gestiegen. Kriminelle profitieren von den hiesigen Datenschutzgesetzen. Der Druck auf die EU wächst, strengere Regeln durchzusetzen.
Nirgends in der Welt werden so viele Bilder und Filme über sexuellen Missbrauch von Kindern verbreitet wie in der Europäischen Union. Fast 90 Prozent aller Websites weltweit liegen auf europäischen Servern. Die Kriminellen nutzen den Datenschutz für ihr Verbrechen, sagt der niederländische Justizminister Ferdinand Grapperhaus.
"Das organisierte Verbrechen im Darknet macht daraus ein Geschäftsmodell", sagt Grapperhaus, und fügt hinzu: Das seien eben nicht nur schmierige Kerle, die Kinder missbrauchen, sondern auch ein boomender krimineller Markt.
Grapperhaus ist auf Google und Microsoft zugegangen. Es ist offensichtlich Teil eures Geschäftsmodells, habe er zu den Vertretern der Internet-Riesen gesagt. "Eines, dass Ihr nicht mögt, also lasst uns zusammenarbeiten, um das aus dem Netz zu entfernen."
Kooperation statt Meldepflicht
Der niederländische Justizminister setzt auf Kooperation mit den Internetfirmen. Er hofft, dass sie freiwillig Bilder und Filme mit Kindesmissbrauch melden. Aber Kinderschutzorganisationen geht das nicht weit genug, sie wollen eine Meldepflicht:
Die massenhafte Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen zeigt, wie dringend notwendig eine Meldepflicht für Internetserviceprovider ist. In den USA und Kanada ist das längst Standard.
So fordert es Julia von Weiler, Geschäftsführerin der internationalen Nichtregierungsorganisation Innocence in Danger:
Eine solche Meldepflicht bedeutet, dass die Internetserviceprovider zum einen melden müssen, wenn sie Missbrauchsdarstellungen auf ihren Seiten entdecken und vor allem die dazugehörige IP-Adresse mitzuliefern haben, damit die Strafverfolger schneller zuschlagen können und vor allen Dingen Kinder aus Missbrauchssituationen befreien können.
Deutsche Meldungen basieren oft auf US-Datensätzen
In den USA gibt es seit 2008 eine Meldepflicht für alles, was mit Missbrauch von Kindern im Internet zu tun hat. Netzanbieter scannen ihre Seiten nach solchen Fotos und Videos und müssen das National Center for Missing and Expoited Children (NCMEC) informieren. Meldungen über Missbrauchsfälle in Deutschland gehen oft auf diese Datensätze der Amerikaner zurück.
Der Druck auf die EU-Kommission wächst, auch in Europa den Kinderschutz im Internet durchzusetzen. Die Europaabgeordnete und CDU-Politikerin Lena Düpont bringt auf den Punkt, was in mehreren Fraktionen des Europaparlaments Konsens ist:
Ich erwarte von der Kommission, dass sie alle Möglichkeiten, die ihr gegeben sind, im Rahmen der Gesetzgebungsinitiative nutzt, klar zu machen, dass Kinderschutz nicht durch Datenschutz ausgehebelt werden darf. Das gilt beispielsweise bei der Frage E-Evidence, das gilt aber auch für den Digital Service Act, das gilt auch für die Vorratsdatenspeicherung, wo wir noch mal neu dran gehen müssen.
Seit der Corona-Krise stieg die Nachfrage nach Bildern von sexuellem Missbrauch um ein Drittel. Der Markt fordert immer neue Bilder, es werden immer mehr Vergewaltigungen von Kindern ins Netz gestellt, Kinder, die ihr Leben lang als Opfer gebrandmarkt sind - das ist die Bilanz von Europol. Europol braucht Zugang zu den Daten, dazu müsse Europa in der Lage sein, heißt es bei der Europäischen Strafverfolgungsbehörde, sonst könne man die Täter nicht vor Gericht bringen.
Bis Ende des Jahres will die Brüsseler Kommission die Spielregeln der Digitalwirtschaft neu bestimmen, das hat die zuständige Innenkommissarin Ylva Johansson jetzt angekündigt. Im Gespräch sind schärfere Regeln für die Netzanbieter und zum ersten Mal auch eine EU-weite Kontrolle.