Gipfel zu Corona-Hilfen EU-Staaten vertagen Verhandlungen
Nach 13-stündigen Verhandlungen haben die Staats- und Regierungschefs den EU-Sondergipfel zum Corona-Aufbauplan unterbrochen. Um 11 Uhr wird weiter beraten. Die Differenzen bleiben groß.
Die 27 EU-Regierungen haben ihre Verhandlungen über das billionenschwere Finanzpaket der Union bis 2027 um kurz vor Mitternacht unterbrochen und verhandeln heute Vormittag weiter. Das gab der Sprecher von EU-Ratspräsident Charles Michel auf Twitter bekannt.
Diplomaten zufolge stemmen sich weiter die Niederlande und Österreich gegen Pläne, den Großteil der Corona-Hilfen von insgesamt 750 Milliarden Euro als nicht rückzahlbare Zuschüsse auszugeben. "Wir befinden uns in einer schwierigen Phase der Verhandlungen", sagte ein Diplomat der Nachrichtenagentur AFP. Vor allem der niederländische Regierungschef Mark Rutte habe "eine sehr harte und wenig konstruktive Haltung".
Fast alle Regierungschefs verließen in der Nacht das EU-Ratsgebäude ohne Stellungnahme. Die Gespräche sollen um elf Uhr fortgesetzt werden.
Zuvor hatten die Staats- und Regierungschefs stundenlang erfolglos über den EU-Haushaltsrahmen von 2021 bis 2027 und das Corona-Hilfspaket gerungen. Schon vor Beginn der Gespräche hatte Kanzlerin Angela Merkel gesagt, dass sie nicht sagen könne, "ob wir dieses Mal zu einem Ergebnis kommen". Die Unterschiede seien "sehr, sehr groß".
Verhandlungen verlaufen zäh
Im Zentrum der mehr als dreizehnstündigen Verhandlungen am Freitag stand vor allem der geplante Aufbaufonds für besonders von der Corona-Krise betroffene Staaten. Begonnen wurde gleich mit den heikelsten Punkten. Zum Auftakt sei es um die Frage der Rabatte für große Beitragszahler zum EU-Haushalt, um die Größe des Plans zur wirtschaftlichen Erholung und um die Bedingungen für Krisenhilfen gegangen, hieß es aus EU-Kreisen.
Die bisherigen Verhandlungen verliefen offenbar zäh. Zwar bleibe die Chance auf Einigung gewahrt, näher sei man ihr aber auch nicht gekommen, sagte der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis. Bei allen Differenzen sei die Stimmung zumindest nicht aufgeheizt oder aggressiv, berichtet ARD-Korrespondent Markus Preiß.
Bilaterale Verhandlungen
Nach acht Stunden wurden die Verhandlungen zwischenzeitlich unterbrochen. Michel beriet sich daraufhin mit einzelnen Ländern und in kleinen Gruppen, bis dann beim Abendessen wieder alle zusammen kamen, um die Möglichkeit einer Einigung weiter auszuloten.
Der Belgier beriet unter anderem mit Merkel, dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte und dem Ungarn Regierungschef Viktor Orban. Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron nutzten die Zeit für Gespräche mit Orban, Österreichs Kanzler Sebastian Kurz und Polens Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki, wie Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter schrieb.
Etliche Punkte umstritten
Verhandelt wird über einen schuldenfinanzierten Corona-Aufbauplan im Umfang von 750 Milliarden Euro und den nächsten siebenjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union im Volumen von mehr als 1000 Milliarden.
Dass etliche Punkte sehr umstritten sind, war bereits im Vorhinein klar - darunter die Summen, die Bedingungen für Hilfsgelder und die Frage, ob kreditfinanzierte Gelder als Zuschüsse an Krisenstaaten gehen sollen, die nicht zurückgezahlt werden müssen
"Wenn man möchte, ist das möglich"
Italiens Regierungschef Giuseppe Conte hatte kurz vor dem Start des Gipfels gefordert, nicht nur an die Finanzen, sondern auch an die europäischen Werte zu denken. Eine Einigung sei im Interesse aller EU-Bürger. Italien ist eines der Länder, die besonders auf Hilfen angewiesen sind. Das Land wurde besonders stark von der Corona-Krise getroffen, und die Lage der Wirtschaft dort war schon vorher schwierig.
Österreich hingegen zählt mit den Niederlanden, Dänemark und Schweden zu den sogenannten "sparsamen Vier". Doch auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz betonte vor Gipfelbeginn den Willen zu Einigung. "Ich glaube, es ist nichts unüberwindbar. Wenn man möchte, ist das möglich, eine Lösung zu finden."
Verlängerung nicht ausgeschlossen
Es ist das erste Mal seit Beginn der Corona-Krise, dass sich die 27 Staats- und Regierungschefs tatsächlich treffen und nicht nur per Videoschalte miteinander konferieren. Dauern soll der Gipfel eigentlich zwei Tage.
Es gilt aber als denkbar, dass er wegen der Schwierigkeit der Verhandlungen verlängert werden muss - bis Sonntag oder sogar bis Montag.