EU-Gipfel Ernüchterung nach der Brexit-Nacht
Der erhoffte Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen bleibt weiter aus. In Brüssel gingen die 27 EU-Regierungen und Großbritannien ohne Einigung auseinander. Streitpunkt: Die Grenze zu Nordirland.
Neue Ideen hatte der Europäische Rat von Großbritannien gefordert, um die letzte und entscheidende Frage der Brexit-Verhandlungen zu beantworten: Wie soll die künftige EU-Außengrenze zwischen Irland und Nordirland funktionieren - dort, wo keine Grenze mehr sein soll seit der Gewalt im Nordirlandkonflikt?
15 Minuten lang referiert die britische Premierministerin Theresa May am Abend in Brüssel ihre Sicht auf den Verhandlungsstand. Doch der erhoffte Durchbruch bleibt aus. Europaparlamentspräsident Antonio Tajani gibt sich anschließend enttäuscht:
Der Ton war zweifellos entspannter als beim vorigen Gipfel in Salzburg. Es war eine Botschaft guten Willens und der Bereitwilligkeit, ein Abkommen zu erreichen. Inhaltlich habe ich aber nichts substantiell Neues erfahren, als ich Frau Mays Ausführungen zugehört habe.
Vorerst kein Brexit-Sondergipfel
"Nicht genügend Fortschritte" lautet das Urteil der verbleibenden 27 EU-Staaten nach ihrer nächtlichen Beratung in Brüssel. Ein weiterer Brexit-Sondergipfel, so heißt es aus Diplomatenkreisen, werde vorerst nicht einberufen. Sondern frühestens dann, wenn EU-Chefunterhändler Michel Barnier Fortschritte in der Irland-Frage vermeldet.
Am vergangenen Wochenende waren die Verhandlungen zwischen London und Brüssel entnervt unterbrochen worden. Vom gemeinsamen Gipfel-Abend hatten sich nun beide Seiten neuen Schwung erhofft, doch der ist offenbar ausgeblieben. Das gesteht auch Österreichs Kanzler und EU-Ratsvorsitzender Sebastian Kurz in der Nacht in Brüssel.
Ich muss ehrlich zugeben: Vieles von dem, was sie uns gesagt hat, war uns bekannt. Gleichzeitig ist es positiv, dass sie noch einmal den klaren Willen bekräftigt hat, eine gemeinsame Lösung zustande zu bringen. Ich bin nach wie vor optimistisch, dass in den nächsten Wochen oder Monaten die Brexit-Frage geklärt werden kann.
No-Deal-Szenario wird vorbereitet
Lieber auf Nummer sicher gehen will dagegen Mark Rutte, rechts-liberaler Ministerpräsident der Niederlande. Sein Land wäre besonders betroffen, sollte kein rechtzeitiges Austrittsabkommen über die zukünftigen Handelsbeziehungen mit Großbritannien erreicht werden. Denn ein großer Teil vom Handelsvolumen mit dem Vereinigten Königreich läuft über den Hafen von Rotterdam.
"Wir müssen vorbereitet sein und stellen bereits fleißig neue Zollbeamte ein", erklärt Rutte. "Die Europäische Kommission haben wir heute aufgefordert, mit noch mehr Elan an einem No-Deal-Szenario zu arbeiten. Nicht, dass wir das erwarten - aber wir müssen vorbereitet sein."
Eigentliche Arbeitssitzung startet
Nach dem ernüchternden Brexit-Dinner startet heute die eigentliche Arbeitssitzung in Brüssel. Mit Themen, die statt europäischer Scheidung vor allem Zusammenhalt beschwören sollen.
Neben der gemeinsamen Migrationspolitik soll es um die Abwehr von chemischen, biologischen oder virtuellen Angriffen gehen. Von der Abwehr politischer Attacken hingegen hat man in Brüssel offenbar vorerst genug.