Verhandlungen über Corona-Hilfen Gereizte Stimmung auf dem EU-Gipfel
Der EU-Gipfel wird zur Nervenprobe: Die "Sparsamen", die inzwischen zu fünft sind, stemmen sich offenbar weiter gegen die geplante Höhe an Corona-Zuschüssen. Offenbar gibt es nun ein "letztes Angebot".
Die Stimmung auf dem EU-Gipfel zum Hilfspaket ist ganz offensichtlich spürbar gereizt. Aus Portugal, Spanien und Italien kommt scharfe Kritik an der harten Haltung der sogenannten Sparsamen Vier. Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande sowie inzwischen auch Finnland sind dagegen, dass der größte Teil der geplanten Corona-Hilfen als Zuschüsse ausgezahlt wird.
Außerdem verlangt die Gruppe wirksame Kontrollen und - im Gegenzug für die finanzielle Unterstützung - schnelle Reformen in den Empfängerländern.
Ein "letztes Angebot"
Offenbar legten sie nun ein "letztes Angebot" vor. Das Gesamtvolumen des Corona-Hilfspakets soll demnach um 50 Milliarden auf 700 Milliarden Euro gekürzt werden. Die Hälfte davon - also 350 Milliarden Euro - soll als Zuschüsse vergeben werden, wie mehrere EU-Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten.
Ursprünglich war vorgesehen, 500 Milliarden Euro als Zuschüsse zu vergeben. Dagegen wehren sich die vier Staaten jedoch heftig. Fraglich ist, ob den südlichen Ländern Spanien, Italien und Portugal sowie einigen östlichen EU-Staaten 350 Milliarden Euro Zuschüsse ausreichen werden.
Mit diesem Vorschlag befasst sich nun wieder die große Runde. Das Abendessen der 27 Staats- und Regierungschefs habe begonnen, teilte der Sprecher von EU-Ratschef Charles Michel auf Twitter mit. Damit treffen sie am dritten Gipfeltag erstmals zusammen. Zuvor hatte Michel in stundenlangen Einzel- und Gruppengesprächen versucht, einen Kompromiss in den völlig verkeilten Verhandlungen auszuloten.
Orban giftet gegen Rutte
Die Fronten schienen verhärtet. Der Widerstand der "Sparsamen Vier" sei nicht mehr akzeptabel, sagte etwa der portugiesische Regierungschef Antonio Costa. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte sprach von einem harten Kampf.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban lehnt es nach wie vor kategorisch ab, dass europäische Fördermittel gekürzt werden können, wenn ein Land die Grundrechte einschränkt. Seinem niederländischen Kollegen Mark Rutte warf Orban vor, Ungarn zu hassen und das Land bestrafen zu wollen.
Michel als Vermittler
EU-Ratspräsident Michel hatte in vielen Vorabgesprächen gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen versucht, zwischen den gegensätzlichen Positionen zu vermitteln und mögliche Kompromisse auszuloten. Die Beratungen in der großen Runde der 27 Staats- und Regierungschefs wurde deshalb immer weiter verschoben.
Merkel hatte schon zu Beginn des Tages ein Scheitern des Gipfels nicht ausgeschlossen. "Ob es zu einer Lösung kommt, kann ich nach wie vor nicht sagen", sagte die CDU-Politikerin. Macron äußerte sich ähnlich, drang aber wie Merkel auf einen Durchbruch. Unterhändler schätzten die Chance auf 50 Prozent. Die Gespräche seien schwierig, hieß es aus der französischen Delegation.
Knackpunkt ist der Corona-Hilfsfonds
Bei dem Gipfel in Brüssel geht es um ein Finanz- und Krisenpaket von gut 1,8 Billionen Euro: Es besteht aus einem schuldenfinanzierten Konjunktur- und Investitionsprogramm im Umfang von 750 Milliarden Euro und dem neuen siebenjährigen EU-Haushaltsrahmen von mehr als 1000 Milliarden Euro.
Knackpunkt in den Verhandlungen ist der Corona-Hilfsfonds. Die "Sparsamen Vier" lehnen es ab, dass der Großteil der Gelder als nicht rückzahlbare Zuschüsse an jene Länder ausgezahlt werden, die am schwersten von der Pandemie betroffen sind. Sie verlangen, diesen Anteil deutlich zu verringern und stattdessen Kredite zu vergeben.