EU-Gipfel berät über Flüchtlingspolitik Alles beim Alten
Die Betroffenheit nach den Flüchtlingstragödien im Mittelmeer war groß - doch den Worten folgen keine Taten: Bei ihrem Gipfel konnte die EU sich nicht auf eine gemeinsame Flüchtlingspolitik einigen. Deutliche Veränderungen sind auf 2014 verschoben.
Der EU-Gipfel in Brüssel ist ohne wesentliche Änderungen der Flüchtlingspolitik zu Ende gegangen. Nach den Flüchtlingstragödien mit mehreren hundert Toten vor der italienischen Insel Lampedusa, wurde in der EU seit Wochen über die Verteilung von Flüchtlingen diskutiert. Doch das zweitägige Zusammentreffen der Staats- und Regierungschefs lässt auf Worte kaum Taten folgen. "Wir haben nicht über qualitative Veränderungen gesprochen", sagte Kanzlerin Angela Merkel nach dem EU-Gipfeltreffen.
Konkrete Veränderungen auf Gipfel 2014 verschoben
Im Entwurf der Abschlusserklärung des Gipfels kündigt die EU zwar "konsequente Maßnahmen" an, um solche Tragödien zu verhindern. Es ist aber keine grundlegende Neuausrichtung vorgesehen. "Das Ausmaß des menschlichen Dramas im Mittelmeer bedeutet, dass wir jetzt handeln müssen", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Konkrete Entscheidungen sollten bis Dezember vorbereitet werden. Geplant ist, dass die EU stärker gegen Schlepperbanden vorgehen wird. Zudem soll die europäische Grenzschutzagentur Frontex ausgebaut werden. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy erklärte, die EU wolle den drei Grundsätzen "Vorbeugung, Schutz, Solidarität" folgen. "Im Angesicht solcher Leiden sind wir alle betrübt, aber wir wissen auch, dass Migrationsströme ein komplexes Phänomen sind." Erst im Juni 2014 will man sich laut Erklärung wieder auf Chefebene mit dem Thema bei einem EU-Gipfel befassen.
Noch zu Beginn des Gipfels hatte Italiens Ministerpräsident Enrico Letta gefordert: "Wir verlangen, dass Europa seinen Zugang zu diesem Thema ändert. Der Premier Maltas, Joseph Muscat, an dessen Landesküsten ebenfalls Bootsflüchtlinge stranden, kritisierte: "Das sind nur Worte. Auf diese Worte müssen Taten folgen."
Flüchtlingsquote findet keine Mehrheit
Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann brachte eine Quote ins Gespräch: "Was aber Teil bei einer Lösung oder der Milderung des Problems für Flüchtlinge wäre, ist natürlich, wenn jedes Land bereit wäre, eine gewisse Quote von Asylbewerbern, Flüchtlingen aufzunehmen."
Doch dieser radikale Kurswechsel hat in Europa keine Mehrheit. Die meisten Regierungen, darunter auch Deutschland, sind mit dem bestehenden System einverstanden. Es soll weiter das Prinzip des Dublin-II-Abkommens gelten: Flüchtlinge müssen dort einen Aufnahmeantrag stellen, wo sie zuerst angekommen sind. Das führt dazu, dass Flüchtlinge, die etwa aus Italien nach Deutschland kommen, dorthin zurückgeschickt werden.
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), hatte mehrfach gefordert, dass Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen sollte, die über das Mittelmeer nach Europa kommen. Die Bundesregierung weist hingegen stets darauf hin, dass Deutschland im Vergleich zu Italien wesentlich mehr Asylbewerber pro Kopf der Bevölkerung aufnehme. Laut Statistik kamen in Deutschland 2012 rund 945 Asylbewerber auf eine Million Einwohner, in Italien dagegen nur 260.
Scharfe Kritik aus Europaparlament
Scharfe Kritik an den Ergebnissen des EU-Gipfels zur Flüchtlingspolitik kommt aus dem Europaparlament: In der vorbereiteten Aschlusserklärung fehle Klartext, sagte Rebecca Harms, Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament. "Klartext heißt: Alle europäischen Mitgliedstaaten müssen dazu gebracht werden, dass sie Asylrecht umsetzen." Man müsse auch über legale Einwanderung reden: "Wir haben da so ein verborgenes Sklavenheer in der Europäischen Union.
Merkel verteidigte den Ausgang des Gipfels. Es habe eine lange, eindringliche Diskussion über das Flüchtlingsproblem gegeben. Die EU müsse sich "mehr mit den kurzfristigen Maßnahmen beschäftigen, die vor Lampedusa wirklich hilfreich sein können", fügte die Kanzlerin hinzu. "Es ist ganz wichtig, dass die Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern beim Flüchtlingsschutz gestärkt wird", sagte Merkel. "Die Stärkung der Grenzschutzagentur Frontex hat eine große Rolle gespielt und natürlich die Versuche bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität. Aber wir wissen alle, dass das sehr, sehr komplexe Aufgaben sind."
Bankenunion und Stresstests nur Themen am Rande
Der Gipfel diskutierte auch über die Bankenunion und Maßnahmen zur Stärkung maroder Institute. Nach den geplanten Stresstests im kommenden Jahr könnten neue milliardenschwere Hilfsmaßnahmen nötig werden, wenn Institute bei den Tests durchfallen. In der Abschlusserklärung schwächten die Staatenlenker Formulierungen zur direkten Bankenrekapitalisierung aber ab. So wurde die zunächst geplante Frist bis Jahresende für direkte Finanzspritzen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM an Banken aus dem Text herausgenommen. Insbesondere Deutschland hat dagegen Bedenken.