Ernennung der EU-Kommission Von der Leyen will rechten Italiener als Vize
Präsidentin Ursula von der Leyen hat ihre Auserwählten für die künftige EU-Kommission verkündet. Das Parlament muss aber zustimmen - und ihre Entscheidung für den rechten Italiener Fitto als ihren Vize gilt als umstritten.
In einer Sitzung des EU-Parlaments in Straßburg verkündete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute Neuigkeiten: Sie machte die Liste der Politiker öffentlich, mit denen sie die künftige EU-Kommission besetzen will. 27 Namen für 27 Mitgliedsstaaten der EU stehen drauf. Aber das Parlament muss sie noch absegnen.
Für einen Schlüsselposten sieht von der Leyen den Italiener Raffaele Fitto vor. Er soll geschäftsführender Vizekommissionspräsident werden. Mit dieser Nominierung geht die Präsidentin ein Risiko ein: Fitto ist Rechtsaußen-Politiker und gehört der postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni an. Dort war er bisher Europaminister.
Nun soll er Kommissar für Kohäsion und Reformen werden.
Kritik an Fitto-Vorschlag
Die Mehrheit der Abgeordneten im EU-Parlament muss die neue Kommission bestätigen. In der Vergangenheit hatten die Abgeordneten auch schon mehrfach Vorschläge abgelehnt. Die Anhörungen der vorgeschlagenen Kommissare beginnen voraussichtlich im Oktober.
Aus den Fraktionen von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen war schon in den vergangenen Tagen Widerstand gegen die Personalie Fitto zu hören. Es sei eine gefährliche Verschiebung nach rechts. "Unhaltbar" nannte die Vorsitzende der Liberalen-Fraktion im Europaparlament, Valérie Hayer, Italiens Vorschlag Fitto.
Der Italiener Raffaele Fitto soll geschäftsführender Vizekommissionspräsident werden, wenn es nach von der Leyen geht.
Auch Unterstützung für Fitto
Das Mitte-Links-Lager im Parlament hatte von der Leyens Wiederwahl im Juli unterstützt. Zur Bedingung machten sie aber, dass die Deutsche nicht mit Rechtsaußen-Parteien zusammenarbeitet.
Doch es gibt auch Unterstützung: Nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa gilt Fitto in Brüssel als gemäßigt und proeuropäisch. EVP-Chef Manfred Weber (CSU) bezeichnete ihn sogar als "Brückenbauer". Er sei ohne Zweifel bestens geeignet, den Job zu machen, sagte er der dpa. Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat sich hochzufrieden über die geplante Ernennung ihres Vertrauten Fitto zu einem der Vizepräsidenten der EU-Kommission geäußert.
Séjourné rückt für Breton auf
Unruhe gab es kurz vor von der Leyens endgültigen Vorschlägen um den französischen Sitz in der Kommission: Der ursprünglich von Frankreich angedachte Kandidat Thierry Breton zog sich überraschend zurück - und rechnete öffentlich mit Kommissionspräsidentin von der Leyen ab.
Als französischer Kommissar soll nun der scheidende Außenminister Stéphane Séjourné eingesetzt werden. Von der Leyen will ihm das Ressort der Industriestrategie zuordnen, was als sehr einflussreiches Amt gilt.
Handelskommissar soll der Slowake Maros Sefcovic werden. Das neu geschaffene Amt des Kommissars für Verteidigung soll der Litauer Andrius Kubilius erhalten. Das Wirtschaftsressort geht an den Letten Valdis Dombrovskis. Der designierte EU-Kommissar für Inneres und Migration ist der aktuelle österreichische Finanzminister Magnus Brunner.
Zum ersten Mal soll es eine Kommissarin für das Mittelmeer geben: Für diesen Posten ist die Kroatin Dubravka Suica vorgesehen. Sie werde zuständig sein für die erweiterte südliche Nachbarschaft der EU und die europäischen Interessen in der Region vertreten, erklärte von der Leyen. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra bleibt laut den Plänen in seinem Amt, sein Zuständigkeitsbereich wird aber neu zugeschnitten und soll künftig Klima und sauberes Wachstum verknüpfen.
- Vizepräsidentin und EU-Außenbeauftragte: Kaja Kallas (Estland)
- Geschäftsführender Vizepräsident und Kommissar für Regionalförderung und Reformen: Raffaele Fitto (Italien)
- Geschäftsführende Vizepräsidentin und Wettbewerbskommissarin: Teresa Ribera (Spanien)
- Geschäftsführende Vizepräsidentin und Kommissarin für Digitales: Henna Virkkunen (Finnland)
- Geschäftsführender Vizepräsident und Kommissar für Industrie und den Binnenmark: Stéphane Séjourné (Frankreich)
- Kommissarin für Soziale Angelegenheiten: Roxana Mînzatu (Rumänien)
- Handelskommissar: Maroš Šefčovič (Slowakei)
- Wirtschaftskommissar: Valdis Dombrovskis (Lettland)
- Kommissarin für den Mittelmeerraum: Dubravka Šuica (Kroatien)
- Kommissar für Gesundheit und Tierschutz: Olivér Várhely (Ungarn)
- Klimakommissar: Wopke Hoekstra (Niederlande)
- Kommissar für Verteidigung: Andrius Kubilius (Litauen)
- Kommissar für internationale Partnerschaften: Jozef Síkela (Tschechien)
- Kommissar für Fischerei und Ozeane: Costas Kadis (Zypern)
- Kommissarin für Finanzdienstleistungen und die Spar- und Investitionsunion: Maria Luís Albuquerque (Portugal)
- EU-Kommissarin für Vorsorge und Krisenmanagement: Hadja Lahbib (Belgien)
- Kommissar für Inneres und Migration: Magnus Brunner (Österreich)
- Umweltkommissarin: Jessika Roswall (Schweden)
- Haushaltskommissar: Piotr Serafin (Polen)
- Kommissar für Wohnen: Dan Jørgensen (Dänemark)
- Kommissarin für Start-Ups, Forschung und Innovation: Ekaterina Zaharieva (Bulgarien)
- Kommissar für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit: Michael McGrath (Irland)
- Kommissar für Verkehr und Tourismus: Apostolos Tzitzikostas (Griechenland)
- Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung: Christophe Hansen (Luxemburg)
- Kommissar für Generationengerechtigkeit, Kultur, Jugend und Sport: Glenn Micallef (Malta)
- Erweiterungskommissarin: Marta Kos (Slowenien - Nominierungsverfahren läuft noch)
Jeder der 27 Mitgliedstaaten konnte eine Kandidatin und einen Kandidaten benennen, für Deutschland war von der Leyen gesetzt. Die jetzt angekündigten Vorschläge der Präsidentin werden in den nächsten Wochen von den jeweiligen Fachausschüssen geprüft. Erst danach wählt das Parlament die endgültige Kommission. Spätestens zum Jahreswechsel soll die neue Kommission ihre Arbeit aufnehmen.
Weniger Frauen als Männer
60 Prozent der vorgeschlagenen Personen sind männlich, nur 40 Prozent weiblich. Bis zur von ihr angestrebte Gleichstellung gebe es noch viel Arbeit, räumte von der Leyen ein. Zum Ausgleich sind vier der insgesamt sechs Stellvertreter von der Leyens weiblich.
Zu den Stellvertretern soll neben Fitto auch die Spanierin Teresa Ribera gehören, die künftig für den "grünen, gerechten und wettbewerbsfähigen Wandel" zuständig ist. Ebenso Stellvertreterin soll die bisherige finnische EU-Abgeordnete Henna Virkkunen werden, die künftig die "innere und äußere Sicherheit" und den Bereich Digitales verantwortet.
Im Vorfeld hatte die CDU-Politikerin die Länder dazu aufgefordert, ihr jeweils einen Mann und eine Frau als Vorschlag zu unterbreiten. Doch viele Staaten hielten sich nicht daran.