Nach Katalonien-Wahl Juncker fürchtet Nachahmer-Effekt
Das Ergebnis der Katalonien-Wahl wurde in Brüssel zurückhaltend zur Kenntnis genommen. Doch hinter den Kulissen ist die Angst vor einer Zersplitterung der Europäischen Union groß. Mehrere EU-Abgeordnete forderten Gesprächsbereitschaft - von beiden Seiten.
Die EU-Kommission will ihre Haltung in der Katalonien-Frage nicht ändern. "Es handelt sich um eine Regionalwahl, und das haben wir nicht zu kommentieren", sagte ein Kommissionssprecher. Die Brüsseler Behörde hatte es wiederholt abgelehnt, sich in den Konflikt zwischen Katalonien und Spanien einzumischen, weil es sich ihrer Ansicht nach um eine innerspanische Angelegenheit handelt.
Darüber hinaus hat die Brüsseler Behörde Sorge vor Nachahmer-Effekten und langfristig vor einer Zersplitterung der EU. "Wenn wir es zulassen, dass Katalonien sich abspaltet, werden andere dies auch tun, und das hätte ich nicht gern. Ich hätte nicht gerne eine Europäische Union, die in 15 Jahren aus 98 Staaten besteht", sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Hochrangige EU-Politiker unterstützen das Vorgehen des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy.
Auch in anderen EU-Ländern gibt es separatistische Bewegungen, zum Beispiel in Norditalien, auf Korsika in Frankreich oder im belgischen Flandern. Ein weiterer Abspaltungsversuch käme der Europäischen Union zu Zeiten des Brexit ungelegen. Hochrangige EU-Politiker unterstützen deshalb das Vorgehen des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Auch aus den einzelnen EU-Ländern kam bislang kein Angebot, im Konflikt zu vermitteln.
Abgeordnete fordern Entgegenkommen von Madrid
Abgeordnete des Europaparlaments fordern nun, dass die Spanier den Katalanen entgegenkommen sollen. "Der Wahlausgang in Katalonien macht es deutlich, dass nun endlich beide Seiten miteinander ins Gespräch kommen müssen", sagte der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok. "Dieses Problem kann nur aufgelöst werden, in dem der Zentralstaat ernsthafte neue Angebote von Autonomie im Rahmen des spanischen Staates unterbreitet", so Brok weiter. Die katalanische Regierung wiederum müsste ihre Bereitschaft zeigen, konstruktiv auf Angebote der Zentralregierung einzugehen.
Der abgesetzte katalanische Regierungschef Carles Puigdemont sagte am Mittag in Brüssel, er sei bereit, sich außerhalb Spaniens mit Ministerpräsident Rajoy zu treffen. Dieser lehnte das Angebot jedoch ab. Puigdemont lebt seit Oktober in Belgien, weil in Spanien ein Haftbefehl gegen ihn verhängt wurde. Wegen Rebellion und anderen Delikten droht im dort eine lange Haftstrafe.
"Keine Vermittlung aufdrängen"
Ein Ausweg aus der Misere könnte eine Reform der spanischen Verfassung sein, meint der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen. Katalonien solle ähnlich wie das Baskenland mehr kulturelle und finanzielle Eigenständigkeit bekommen. Sollten Spanien und Katalonien in absehbarer Zeit keine gemeinsame Lösung hinbekommen, solle die EU vermitteln.
"Die Europäische Union hat sich bisher nicht eingemischt in innerstaatliche Konflikte, aber, wenn sie gefragt wird, dann muss sie natürlich auch bereit stehen, diesen Konflikt zu überwinden", sagte Leinen. Man solle den Spaniern aber keine Vermittlung aufdrängen. Bislang baten die Katalanen, nicht aber der spanische Ministerpräsident Rajoy in Brüssel um Hilfe. Rajoy betrachtet die Unabhängigkeitsbewegung als eine Sache, die Spanien selbst regeln muss.
Es geht um Zusammenhalt der EU
Wir brauchen ein internationales Vermittlungsteam, fordert Marie Kapretz, die bisherige Vertreterin der katalanischen Regionalregierung in Berlin. Der CDU-Europaabgeordnete Brok hält es auch für möglich, dass eine bekannte Persönlichkeit, die von beiden Seiten anerkannt wird, als Vermittler fungiert. Aber es müsse klar sein, dass die Europäische Union nichts anderes tun könne, als im Rahmen der spanischen Verfassung nach Lösungen zu suchen.
Es geht also nicht nur um die Unabhängigkeit einer Region in Europa, sondern auch um die Solidarität und den Zusammenhalt in der Europäischen Union.