EU berät über Syrien "Wir sind wieder im Mittelalter"
Trotz der UN-Forderung nach einer Waffenruhe wird in Syrien weiter gekämpft. Die EU-Außenminister zeigen sich fassungslos - es ist von "Schande" und "Barbarei" die Rede.
Das Wort, das wohl am zutreffendsten die Gefühlslage der EU-Außenminister angesichts der dramatischen Ereignisse in Syrien beschreibt, lautet: Fassungslosigkeit. Trotz der Forderung des UN-Sicherheitsrats nach einer sofortigen Waffenruhe gehen die Kämpfe in Ost-Ghouta weiter. Oppositionelle behaupten sogar, die Regierungstruppen hätten Giftgas eingesetzt.
Die deutlichsten Sätze angesichts der erbarmungswürdigen Lage spricht Luxemburgs Chefdiplomat Jean Asselborn: "Es ist eine Schande, wie mit den Menschen in Ost-Ghouta umgegangen wird, auch in Idlib. Wir sind wieder im Mittelalter, im tiefen Mittelalter."
"Schlimmste Zeit seit Kriegsbeginn"
Noch im Herbst vergangenen Jahres sah es so aus, als sei nicht nur der sogenannte "Islamische Staat" so gut wie besiegt. Auch schienen die Kampfhandlungen zwischen Assads Regierungstruppen und Rebellen abzuebben. Doch nun erlebe die Zivilbevölkerung gerade die "schlimmste Zeit seit Kriegsbeginn", meint die neue österreichische Außenministerin Karin Kneissl.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sieht in der Resolution der Vereinten Nationen, die auf Druck auch der Europäer im Sicherheitsrat zustande gekommen sei, einen ermutigenden, aber eben auch nur einen ersten Schritt: "Diese Resolution muss jetzt sofort umgesetzt werden. Wir brauchen Überwachungsmechanismen." Man werde weiter mit den Vereinten Nationen und all den internationalen und regionalen Partnern daran arbeiten, dass sich die Situation vor Ort sofort verbessert.
Doch wenig kann darüber hinwegtäuschen, dass die EU in diesem komplizierten Konflikt einmal mehr weitgehend zum Zuschauen verdammt ist. Luxemburgs Außenminister Asselborn gibt zu Bedenken, dass kaum die Möglichkeit bestünde, Sanktionen zu verhängen, wenn der UN-Beschluss nicht eingehalten werde. Er sieht jetzt die mächtigen Akteure dieses Konflikts in der Pflicht: "Es ist de facto so, dass einerseits Russland und Iran, andererseits die USA und die Türkei einwirken können, damit diese Barbarei aufhört."
Lage bleibt verworren
Die Türkei hatte im vergangenen Jahr - einigermaßen erfolglos - versucht, in einer Art Zweckallianz mit Russland und dem Iran Friedensgespräche für Syrien auf den Weg zu bringen. Sie hatte allerdings ihrerseits am 20. Januar eine Offensive gegen kurdische Kämpfer in Nordsyrien gestartet und dadurch einen Konflikt mit dem NATO-Partner USA heraufbeschworen. Der EU bleiben angesichts der verworrenen Lage in dem Bürgerkriegsland letztlich nur zwei Möglichkeiten: politisch Druck zu machen und sich für die Zivilbevölkerung einzusetzen.
"Das Wesentliche ist, eine 30-tägige Waffenruhe zu erhalten. Um eben Zugang zu den etwa 5,6 Millionen Menschen in fast 1500 Dörfern zu bekommen, die auf dringendste Hilfe warten", fordert Österreichs Außenministerin Kneissl.
"Ost-Ghouta kann nicht warten", hat UN-Generalsekretär Antonio Guterres zur Lage in Syrien gesagt. "Es ist höchste Zeit, diese Hölle auf Erden zu stoppen." Die Vereinten Nationen stünden bereit, lebensrettende Hilfe in die Rebellen-Enklave östlich von Damaskus zu bringen und Schwerverletzte von dort zu evakuieren. Guterres machte klar, dass der Kampf gegen den Terrorismus keine
Angriffe auf wehrlose Zivilisten rechtfertige.
In einem Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin hatten Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron darauf gedrungen, dass die Waffenruhe eingehalten werde. Die Hoffnung dahinter: dass die Schutzmacht Russland genug Druck auf das Regime von Präsident Assad ausübt, um diesen zum Einlenken zu bewegen. Das Problem: Assad fühlt sich seit geraumer Zeit auf der Siegerstraße und scheint diesen Konflikt auf dem Schlachtfeld, nicht am Verhandlungstisch entscheiden zu wollen.