Terror-Propaganda EU debattiert "Terror-Filter" im Netz
Nach der Reform des Urheberrechts plant die Europäische Union nun den nächsten Eingriff ins Internet. Es geht um Terror-Propaganda, die schneller als bisher aus dem Netz gelöscht werden soll.
Julian King hat keine Geduld mehr. Der EU-Kommissar für die Sicherheitsunion wartet seit sieben Monaten darauf, dass das Europäische Parlament seinen Gesetzesvorschlag zum Löschen von Terror-Inhalten im Internet bearbeitet. Dabei gehe es ihm vor allem um drei Kernpunkte, erklärt King.
Erstens, der Löschbefehl. Plattformen sollen innerhalb einer Stunde reagieren, wenn sie einen Löschauftrag von Justiz- oder Polizeibehörden erhalten. Zweitens: Wessen Plattform für terroristische Inhalte genutzt wird, der muss aktiv dagegen vorgehen. Und drittens sollen die Mitgliedsstaaten Kapazitäten zur Strafverfolgung vorhalten, um ebendiese Lösch-Befehle auch zu erteilen.
Julian King und sein Kollege für Inneres, Dimitris Avramopoulos, verweisen auf das Beispiel der rassistischen Anschläge Mitte März in Christchurch, Neuseeland: 50 Menschen tötete der Angreifer dort und filmte sich dabei, übertragen live auf Facebook. Von dort fand das Video millionenfache Verbreitung, auch auf andere Plattformen wie YouTube.
Julian King, der EU-Kommissar für die Sicherheitsunion, will eine schnelle Lösung.
Beispiel Christchurch
Von Menschenhand ließ sich das Video nicht mehr einfangen. Stattdessen schalteten beide Plattformen automatische Filtersysteme – und hier beginnt das Problem für Birgit Sippel. Die Sozialdemokratin aus NRW sitzt im zuständigen Parlamentsausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. Sie traut den technischen Maßnahmen nicht und verlangt: kein Privatunternehmen, auch nicht die Polizei, sondern allein Gerichte müssten entscheiden dürfen, was vom Netz muss und was nicht.
Wir haben große Probleme, wenn es der Polizei überlassen wird, weil sie die Rechtslage im Zweifel auch nicht genau kennt. Und es gibt eben auch Inhalte, die vielleicht unschön, aber eben nicht illegal sind. Deshalb streiten wir dafür, dass es eine Justizbehörde sein muss, die diese Entscheidung trifft.
Selbst wenn geklärt wäre, wer im Zweifel den Löschbefehl erteilt, so die Parlamentarierin, bliebe das Problem der grenzübergreifenden Zuständigkeit. Also die Frage, ob ein deutscher Richter ein schwedisches Unternehmen zum Löschen zwingen darf.
Auch wenn es diesen Ländern möglicherweise nicht illegal ist. Da haben wir auch ein Problem mit einheitlichen Definitionen. Und wollen wir umgekehrt, dass Schweden, Ungarn, Polen einem deutschen Server sagen dürfen, was wir zu löschen haben? Weil das Verständnis, was ist Terrorismus, was ist illegal, nach wie vor unterschiedlich ist in den Mitgliedsstaaten.
Viele offene Fragen
Die Mitgliedsstaaten – darunter auch Deutschland – sind für die neue "Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte". Doch je weiter man in die Details eintaucht, desto mehr Fragen bleiben offen: Wer gilt als "Plattform", bereits jede kleine Webseite mit Kommentarfunktion? Wie sollen deren Betreiber Tag und Nacht löschbereit sein? Wie wird staatlicher Missbrauch verhindert und die Meinungsfreiheit sichergestellt? Aus Sicht des Parlaments machen es sich die Mitgliedsstaaten mit dem Entwurf zu einfach.
Tatsächlich ist es manchmal so: Sobald einer schreit „wir brauchen das gegen den Terrrorismus“, dann traut sich manch einer schon nicht mehr, dagegen zuhalten. Und viele Bürger sagen dann: „Wenn das gut ist gegen den Terror, ja dann machen wir das“. Leider helfen solche Maßnahmen nicht immer wirklich. Insofern rate ich uns allen im Parlament dazu, die Dinge sorgfältig zu behandeln und sich auch von Herrn King und vom Rat nicht populistisch in die Hektik treiben zu lassen.
Am Dienstag trifft sich der Ausschuss zu seiner letzten Sitzung vor der Europawahl - der zuständige Berichterstatter ist zudem Brite. Gut möglich also, dass es mit der von Rat und Kommission beschworenen Eile in Sachen Terror-Filter vorerst ohnehin nichts wird.