Sauberes Wasser, weniger Müll EU-Parlament will neue Trinkwasserregeln
Sauberer soll das Trinkwasser in der EU werden und für alle verfügbar - darauf hat sich das EU-Parlament verständigt. Ein Ziel: Die Europäer sollen mehr aus dem Hahn trinken, um Plastikmüll zu vermeiden.
Das Trinkwasser soll in der EU künftig besser auf Schadstoffe hin überwacht werden und für alle Bürger verfügbar sein. Darauf zielt ein Richtlinienentwurf ab, den das Europaparlament verabschiedet hat. Die Abgeordneten in Straßburg stimmten für schärfere Schadstoffgrenzwerte und sprachen sich auch dafür aus, dass die Mitgliedstaaten den Zugang zu Wasser verbessern - etwa durch frei zugängliche Trinkwasserbrunnen in Kommunen und öffentlichen Gebäuden oder kostenloses Leitungswasser in Restaurants.
Ziel des Vorstoßes ist es unter anderem, dass das Vertrauen in Leitungswasser verbessert wird und die Europäer mehr aus dem Hahn und weniger aus Plastikflaschen trinken. So könnten Müllmassen eingedämmt werden. Würde weniger Wasser aus Plastikflaschen konsumiert, könnten europäische Haushalte mehr als 600 Millionen Euro jährlich sparen, rechnet die EU-Kommission vor.
Der Vorlage des EU-Parlaments zufolge soll der zulässige Höchstwert für Blei im Wasser um die Hälfte reduziert werden. Gesenkt werden sollen auch die Höchstwerte für schädliche Bakterien oder bestimmte Stoffe, die als möglicherweise krebserregend oder hormonverändernd eingestuft werden. Zudem soll erstmals der Gehalt von Mikroplastik überwacht werden.
Mehr als 90 Prozent der Deutschen trinken Leitungswasser
Mehr als neun von zehn Menschen in Deutschland trinken einer Studie des Instituts IESK zufolge Leitungswasser, über 85 Prozent bewerten die Qualität demnach mit "sehr gut" oder "gut".
Mit der Abstimmung im Parlament legten sich die Abgeordneten auf eine gemeinsame Position bei den anstehenden Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten fest. In Deutschland und der EU ist die Qualität des Leitungswassers nach Angaben der Brüsseler Behörde überwiegend sehr gut. In den Jahren 2011 bis 2013 fiel nur Ungarn bei der Einhaltung der Grenzwerte bestimmter Chemikalien etwas aus dem Rahmen. Bei Mikroorganismen erreichten alle Mitgliedsländer weitgehend die Zielvorgaben.
Nach Angaben der europäischen Bürgerinitiative Right2Water fehlt jedoch etwa einer Million Menschen in der EU der Zugang zu sauberem Trinkwasser. Bis zu acht Millionen stünden keine sanitären Anlagen zur Verfügung. Das soll sich nach dem Willen der EU nun ändern.
Nachbesserung einer 20 Jahre alten Richtlinie
Die neuen Vorschriften sollen eine Richtlinie aus dem Jahr 1998 nachbessern - unter Berücksichtigung der jüngsten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die neuen Grenzwerte sollen auch an die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst werden.
Höchstwerte für Arzneimittel oder Mikroplastik im Trinkwasser sind jedoch noch nicht vorgesehen, obwohl die Sorge darüber wächst. Die EU-Kommission ist aber dazu aufgerufen, den Gehalt dieser Stoffe im Leitungswasser zu beobachten und zu einem späteren Zeitpunkt einen Bericht vorzulegen. Darin soll es auch um deren mögliche gesundheitsschädliche Wirkung gehen.
Regeln zu locker gefasst?
Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken sprach von einer halbherzigen Verbesserung. Liberale, Konservative und Nationalisten hätten schärfere Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bei der Versorgung mit sauberem Wasser verhindert. Nun können die nationalen Regierungen aus verschiedenen Lösungsansätzen auswählen, statt ein verbindliches Maßnahmenpaket einführen zu müssen.
Der deutsche Kommunalverband VKU begrüßte die Neufassung der Richtlinie grundsätzlich. Allerdings fürchtet der Verband Mehrkosten, weil neuerdings auch für Stoffe mit hormonverändernder Wirkung Grenzwerte eingeführt werden sollen. Diese Stoffe müssten analysiert und gegebenenfalls aus dem Wasser entfernt werden, hieß es. Dabei sehe die Weltgesundheitsorganisation WHO keine Anzeichen für ein Gesundheitsrisiko.
Nach dem Votum in erster Lesung können die Verhandlungen zwischen Vertretern des Parlaments, der EU-Staaten und der Kommission beginnen. Bisher einigte sich der Rat der EU-Staaten jedoch noch nicht auf eine Position. Das Parlament hofft auf einen Abschluss der Verhandlungen noch vor der Europawahl im Mai.