EU-Spitzenjob zu vergeben Blair oder Juncker?
Wenn der - gestern im Bundestag, zuvor in Österreich und in Dänemark gebilligte - EU-Reformvertrag in Kraft tritt, dann wird es ab 2009 auch eine Art EU-Präsident geben - und wer immer dann auf Europas Chefsessel sitzt, der wird auch das prägende Gesicht der EU sein. Die Wahl ist folglich nicht ganz einfach. Derzeit werden in Brüssel zwei Namen heiß gehandelt - Jean-Claude Juncker und Tony Blair.
Von Michael Becker, ARD-Hörfunkstudio Brüssel
Vom kommenden Jahr an wird in der EU ein echter Spitzenjob zu vergeben sein: eine Art EU-Präsident. Es geht um den Chefposten im Kreis der europäischen Staats- und Regierungschefs - um eine Person also, die sehr viel Einfluss haben könnte.
Und gerade weil das so ist, tut man sich sehr schwer mit der Wahl, denn alle sind sich darüber klar, dass dieser neue europäische Top-Job vor allem geprägt werden dürfte von der ersten Person, die auf dem Stuhl Platz nimmt. Denn im EU-Reformvertrag ist nicht genau geregelt, was der EU-Präsident nun eigentlich machen soll. Dementsprechend könnte er am Ende nicht viel mehr als ein Frühstücksdirektor sein - oder eben als ein "Mister Europe" das neue Gesicht Europas werden.
Juncker: Ein europäischer Überzeugungstäter
Vor allem zwei Namen werden derzeit heiß gehandelt für diesen Posten: zum einen Jean-Claude Juncker, Premierminister von Luxemburg, ein politisches Urgestein und ein europäischer Überzeugungstäter. Von Juncker hört man Sätze wie diese: "Wir müssen Europa als Regierungschefs miteinander und füreinander regieren." Juncker weiß, wie man die EU erklärt, ganz untechnisch, überzeugend und verständlich: "Wir brauchen die alten Projekte in Europa: Krieg und Frieden ist eine nicht auf ewige Zeit ausgestandene Frage, und wir brauchen neue Projekte, die die Europäer wieder stolz auf Europa machen."
Luxemburgs Premier genießt hohen Respekt im Kreis seiner europäischen Kollegen - er gilt als das, was man einen "echten Makler" nennt, und er hat den Vorteil, dass er aus dem kleinen Luxemburg kommt. Von Kanzlerin Angela Merkel ist bekannt, dass sie genau so jemanden im Sinn hat - und dass sie mit Juncker sehr gut leben könnte.
Blair: Ein Mann mit internationaler Reputation
Nur: Juncker ist zwar selbstbewusst, er ist aber trotzdem nicht unbedingt die starke Lösung. Auch als ranghöchster EU-Vertreter würde er immer der Mann aus dem kleinen Luxemburg bleiben. Ganz anders wäre es da mit Tony Blair, der ehemalige britische Regierungschef - auch er wird gehandelt für den Posten des EU-Präsidenten. Blair gilt immer noch als dynamisch und durchsetzungsstark, er stammt aus einem der großen EU-Länder und international hat er unbestritten Gewicht.
Allerdings kommt er auch aus einem Land, das mit der EU nicht viel im Sinn hat - viele meinen deshalb, mit Blair würde der Bock zum Gärtner gemacht. Wenn der britische Ex-Premier über Europa redet, dann klingt es immer so, als müsse er sich rechtfertigen: "Meine Position als Premierminister war immer, aus dieser Negativhaltung gegenüber der EU herauszukommen. Die EU hat Großbritannien eine Menge zu bieten - und umgekehrt. Und danach haben wir gehandelt."
Angela Merkel soll gar nicht begeistert sein von dem Gedanken, Blair zum Gesicht Europas zu machen - und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy soll das ähnlich sehen. Wer das Rennen am Ende macht ist also noch offen, die Zeit allerdings drängt. Bis zum Jahreswechsel muss man sich entscheiden.
EU-"Außenminister"-Posten so gut wie vergeben
Das gilt auch für den anderen Spitzenjob, den die EU künftig zu vergeben hat: Ein europäischer Außenminister - auch wenn er diesen Titel offiziell nicht tragen wird. Der Spanier Javier Solana hat da wohl die besten Aussichten, zumindest ist nicht bekannt, dass es ernsthaften Widerstand gegen ihn gäbe. Denn Solana ist schon seit Jahren als EU-Chefdiplomat unterwegs, kennt das Gewerbe also bestens. Übrigens: Joschka Fischer war auch mal im Gespräch als Europäischer Außenminister - doch davon redet schon längst niemand mehr.