Vor dem Flüchtlingsgipfel Die Türkei macht Druck - die EU auch
Kurz vor dem Flüchtlingsgipfel pocht die Türkei auf eine schnelle Aufhebung der Visumspflicht - und droht mit einer Annullierung des Rücknahme-Abkommens mit der EU. Die hofft vor allem auf einen raschen Rückgang der Flüchtlingszahlen und fordert mehr Engagement von Ankara.
Die Türkei hat die EU davor gewarnt, die in Aussicht gestellte Reisefreiheit für ihre Bürger im Schengen-Raum hinauszuzögern. Das Ende der Visapflicht für Türken sei eng mit der von Ankara versprochenen Rücknahme von Flüchtlingen aus Europa verknüpft, sagte EU-Minister Volkan Bozkir laut dem türkischen Nachrichtensenders NTV .
"Die EU muss bis Oktober oder November die Entscheidung zur Aufhebung der Visapflicht treffen", forderte der EU-Minister. "Wenn das Rückübernahmeabkommen in Kraft tritt, aber im Oktober oder November die Visapflicht nicht aufgehoben wird, haben wir nach dem Rückübernahmeabkommen das Recht, das Abkommen zu annullieren."
Im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit der EU in der Flüchtlingsfrage hat sich die Türkei verpflichtet, ab Mitte des Jahres abgelehnte Asylbewerber, die über ihr Territorium nach Europa gelangt sind, wieder zurückzunehmen. Das betrifft vor allem Menschen aus Ländern wie Afghanistan, die derzeit rund ein Viertel aller Flüchtlinge stellen, die über die Türkei nach Griechenland gelangen. Syrer und Iraker seien vom Rückübernahmeabkommen mit der EU ausgeschlossen, sagte Bozkir.
Lob für Merkel
Lobend äußerte sich Bozkir über Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie habe in der Flüchtlingsfrage die richtigen Schlüsse gezogen und bleibe trotz aller Kritik bei ihrer Haltung. Wenn die anderen EU-Länder ihren Beitrag verweigerten, könne das Problem nicht gelöst werden. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte die Türkei am Donnerstag zu verstärkten Anstrengungen bei der Eindämmung des Flüchtlingsstroms aufgerufen. Heute will Tusk in Istanbul bei einem Treffen mit Präsident Recep Tayyip Erdogan den EU-Türkei-Gipfel am kommenden Montag vorbereiten. Merkel traf sich zur Vorbereitung des Gipfels mit Frankreichs Präsident François Hollande.
Die deutsche Kanzlerin hatte immer wieder betont, dass eine Lösung der Flüchtlingskrise nur mit der Türkei möglich sei. Ähnlich äußerte sich EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos. "Sicher ist: Ohne Kooperation mit der Türkei sind wir nicht in der Lage, die Situation effektiv in den Griff zu bekommen", sagte er der "Welt". Er sprach dabei von "einigen positiven Resultaten", mahnte gleichzeitig aber eine vollständige Umsetzung des mit der Regierung in Ankara vereinbarten Aktionsplans an.
Die Türkei ist das wichtigste Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa. Das Land hat mehr als 2,5 Millionen Syrer aufgenommen. Die EU hofft, dass die Regierung in Ankara den Zug der Menschen nach Europa durch effektivere Grenzkontrollen aufhält. Mit dem im November vereinbarten Plan stellte die EU Ankara im Gegenzug dafür drei Milliarden Euro und politische Zugeständnisse in Aussicht.
Özdemir vergleicht Erdogan mit Putin
In Deutschland gibt es aber auch Kritik an der Zusammenarbeit mit der Türkei, die sich vor allem am autoritären Stil von Präsident Recep Tayyip Erdogan entzündet. Grünenchef Cem Özdemir verglich diesen im Interview mit dem Deutschlandfunk mit Russlands Präsidenten. "Ich glaube, der beste Vergleich für Erdogan ist der mit Putin. Er hat eine ähnliche Haltung zu seinem Land, ein ähnliches Verständnis von Macht. Das hat mit Demokratie wenig zu tun", sagte Özdemir.
Seit Erdogans Amtsantritt vor 18 Monaten habe die türkische Justiz fast 2000 Verfahren wegen Beleidigung des Präsidenten eröffnet. Das zeige, wie sehr Erdogan die Gesellschaft spalte, so Özdemir.