EU-Türkei-Gipfel Sehr viel Klartext mit Erdogan
Bei ihrem Gipfeltreffen haben die EU und die Türkei keine Annäherung erzielt. Die Türkei strebt weiter eine Vollmitgliedschaft in der EU an. Die allerdings machte dem Land schwere Vorwürfe.
Bei dem EU-Türkei-Gipfel in der bulgarischen Schwarzmeerstadt Warna haben beide Seiten in wichtigen Streitfragen keine Annäherung erzielt. "Wenn Sie mich fragen, ob wir Lösungen oder Kompromisse erzielt haben - dann lautet meine Antwort: Nein", so EU-Ratspräsident Donald Tusk. Er betonte nach den Gesprächen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, dass die EU weiter besorgt über die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei sei.
Zudem kritisierte er die Inhaftierung von EU-Bürgern in dem Land und die türkische Blockade von Erdgasbohrungen vor Zypern. Auch die Besorgnis der EU über die türkischen Militäraktionen in Syrien habe man zum Ausdruck gebracht, sagte Tusk.
Dem stimmte auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu: "Wir denken, dass die Intervention der Türkei außerhalb des türkischen Territoriums in Konformität mit internationalem Recht und mit den Beschlüssen des UN-Sicherheitsrats zu passieren hat - er hat dies zur Kenntnis genommen."
Der türkische Staatspräsident Erdogan und der EU-Ratsvorsitzende Tusk erzielten keine Annäherung.
Vorwurf der "Heuchelei"
Zuvor hatte Erdogan gefordert, den eingefrorenen EU-Beitrittsprozess seines Landes wiederaufzunehmen. "Unsere Kandidatur für unsere EU-Mitgliedschaft wurde im Jahr 1963 begonnen. Jetzt schreiben wir das Jahr 2018. Und wir sind immer noch nur Kandidat. Würden gerne schneller Fortschritte in Richtung des Beitritts-Ziels machen", so der türkische Präsident. Erdogan zufolge strebt die Türkei weiterhin die Vollmitgliedschaft in der EU an.
Zugleich warf er der EU "Heuchelei" und "Doppel-Standards" gegenüber seinem Land vor.
Das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei ist seit mehr als eineinhalb Jahren extrem angespannt. Nach einhelliger Meinung verstößt die türkische Regierung bei ihrem Vorgehen gegen angebliche Anhänger der islamischen Gülen-Bewegung - die Erdogan für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich macht - massiv gegen rechtsstaatliche Grundsätze und hat illegal Menschenrechtler und Journalisten inhaftiert.
Die EU hat deswegen die Verhandlungen über einen EU-Beitritt des Landes de facto auf Eis gelegt.
Immerhin eine einzige Zusage
Immerhin in einem Punkt gab es eine konkrete Zusage: beim Flüchtlings-Pakt. Die Europäische Union hat die Auszahlung der zweiten Rate von abermals drei Milliarden Euro zugesagt. Den Deal am Leben zu erhalten, ist eines der Hauptanliegen der Europäischen Union.
"Das ist Beschluss der Kommission. Wir stehen bereit, drei weitere Milliarden für die nächsten zwei Jahre in Aufstellung zu bringen", so Kommissionspräsident Juncker im ARD-Interview.
Das war es dann aber auch mit konkreten Zusagen: Weder beim Ausbau der Zollunion noch bei der Visa-Freiheit - zwei türkischen Herzensanliegen, kann Erdogan in naher Zukunft Bewegung erwarten. Was beide Seiten sich nicht vorwerfen können, ist: Zu wenig Klartext geredet zu haben. Und klar ist auch: man wird im Dialog bleiben. Man hat vor, sich wieder zu treffen: Nach Angaben der bulgarischen Gastgeber bereits im Juni.