Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft Polen setzt auf Solidarität statt Egoismus
Schuldenkrise und Euro-Skepsis: Zu einem schwierigen Zeitpunkt hat Polen von Ungarn offiziell die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Von seinen ehrgeizigen Zielen will sich Premier Tusk aber nicht abbringen lassen - und verbreitet Optimismus. Solidarität statt Egoismus sei nötig.
Von Henryk Jarczyk, ARD-Hörfunkstudio Warschau
Es ist vollbracht. Der ungarische Premier Viktor Orban hat seinem polnischen Amtskollegen Donald Tusk feierlich die Europafahne und damit die Ratspräsidentschaft für die kommenden sechs Monate übergeben. Dabei betonte der ungarische Premier, er sei sicher, dass Polens Vorsitz mit einem Erfolg enden werde. Auf die Frage, ob er dem polnischen Premier irgendwelche Ratschläge für die - vor allem wegen der Wirtschaftskrise - schwierige Zeit mit auf den Weg gegeben habe, antwortete Orban: "Ich habe keine guten Ratschläge erteilen können. 90 Prozent einer erfolgreichen Politik bestehen aus Improvisation, Fingerspitzengefühl und Intelligenz."
Ungünstiger Zeitpunkt
Eigenschaften, die der polnische Premier Tusk nun unter Beweis stellen muss. Immerhin übernimmt Polen die Ratspräsidentschaft zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Und das nicht nur wegen der desolaten Finanzlage in Griechenland. Spanien, Portugal und Irland stehen nicht minder unter Druck. Keine günstigen Voraussetzungen, um etwa über die Aufstockung des EU-Haushalts nachzudenken.
Doch genau das hat der polnische Premier ganz oben auf seiner Prioritätenliste stehen. "Ich werde während der polnischen Ratspräsidentschaft weitere Lösungen zur Aufstockung des EU-Haushalts anstreben. Wir werden unseren Partner in Europa nicht vom polnischen Standpunkt zu überzeugen versuchen, sondern von der Notwendigkeit gemeinschaftlicher Interessen."
Gerade in besonders schwierigen Zeiten, das ist die feste Überzeugung des polnischen Premiers, darf Solidarität nicht zu einem bloßen Slogan verkommen. Wer auf die Stärkung Europas verzichte, erweise nicht nur der EU einen Bärendienst. Egoistische Ansätze, so Tusk, seien die denkbar schlechteste Antwort auf die momentane Finanzkrise.
Partnerschaftsvertrag mit der Ukraine
Unter anderem deshalb plädiert der polnische Regierungschef dafür, die 2008 begonnen Gespräche über die östliche Partnerschaft der EU während seiner Ratspräsidentschaft zu einem Abschluss zu bringen. "Wenn wir den Gipfel der östlichen Partnerschaft organisieren, tun wir das, weil heute östlich von der EU Millionen Menschen leben, die jenes Wertesystem teilen, auf dem die Europäische Union gebaut wurde. Deshalb freue ich mich, dass wir das große Werk der Verhandlungen über den Partnerschaftsvertrag und eine freie Handelszone mit der Ukraine gemeinsam fortsetzen werden", sagte Tusk. Weder in Polen noch in Ungarn müsse erklärt werden, was für große historische Bedeutung die Verwirklichung der europäischen Perspektive durch die Unterzeichnung beider Verträge mit der Ukraine hätte. "Und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass wir das in diesem Jahr auch schaffen werden," gab sich Tusk optimistisch.
Innenpolitische Gefahren
Ob das Vorhaben tatsächlich gelingt, hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob die Partei von Tusk bei den im Oktober anstehenden Parlamentswahlen das Rennen macht. Die Opposition - auch wenn sie die Ziele der polnischen Ratspräsidentschaft nicht unbedingt ablehnt - wird sicher alles versuchen, um die Europa-Politik von Premier Tusk doch zu torpedieren.
Präsident Bronislaw Komorowski richtete daher vorsorglich einen Appell an all diejenigen, die in den kommenden Monaten Tusk das Leben schwer machen möchten. "Die polnische Ratspräsidentschaft ist die Krönung unserer Arbeit und des großen Aufwands der gesamten polnischen Gesellschaft. Damit diese Ratspräsidentschaft mit einem Erfolg endet, müssen wir auch in Polen die Fähigkeit zur Zusammenarbeit entwickeln. Unser Ziel ist ein starkes Polen in einem starken Europa."